Süddeutsche Zeitung

Eindrücke aus Singapur:Ein Treffen auf Augenhöhe

  • Trump und Kim unterzeichnen im Blitzlichtgewitter von Singapur eine Vereinbarung.
  • Einige Stunden zuvor kam es zum historischen Handschlag der beiden Staatschefs.
  • Für Kim ist das Treffen jetzt schon ein Erfolg, weil er den USA auf Augenhöhe begegnet ist.

Von Christoph Giesen und Arne Perras, Singapur

Der Rote Teppich ist ausgerollt vor dem ehemaligen Offiziersgebäude der königlich britischen Artillerie, um 9.04 Uhr treten US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un aufeinander zu, dann schütteln sie sich die Hände, 13 Sekunden lang. Trump greift Kim kurz an die rechte Schulter, er spricht zu ihm ohne zu lächeln, Kim hört zu und nickt.

Es ist der Moment, der in die Geschichte eingehen wird. Zum ersten Mal treffen ein amtierender US-Präsident und ein Regime-Führer Nordkoreas aufeinander. Selbst Kims Übersetzer ist beeindruckt. Kurz vor Beginn der gemeinsamen Gespräche soll er gesagt haben, dass dies alles auf viele Menschen wie ein "Science-Fiction-Film" wirken müsse.

Es ist noch gar nicht lange her, da hatten die beiden einander gedroht und sich gegenseitig wüst beschimpft. Trump nannte Kim einen "Raketenmann auf Selbstmordmission". Dieser revanchierte sich und bezeichnete Trump als einen "senilen Greis". Offiziell befinden sich beide Länder noch im Krieg. Seit 1953 herrscht bloß Waffenstillstand. Nun aber treffen sich ihre Staatschefs hier im Nobel-Hotel Capella auf Sentosa, einer vorgelagerten Insel von Singapur.

Zuerst kommt Kim Jong-un am Hotel an. Um 8.53 Uhr Ortszeit steigt er aus seiner schwarzen Stretchlimousine. Der nordkoreanische Machthaber trägt Schwarz, einen bis oben zugeknöpften Anzug, den sie in seinem Land eine Ziviluniform nennen. Die Haare sehen frisch geschoren aus, Kim wirkt ein wenig verschlafen, er war am Abend noch in Singapur unterwegs.

Nordkoreas größte Tageszeitung Rodong Sinmun publizierte in ihrer Dienstagsausgabe auf der Titelseite Fotos von Kims nächtlicher Tour. Eine solche Offenheit ist ungewöhnlich in Nordkorea. In der Hand hält Kim seine Brille, mehrmals blickt er sich um, bevor er hineingeht.

Sechs Minuten später fährt US-Präsident Donald Trump in seinem gepanzerten Wagen vor. The Beast nennen sie das Fahrzeug zu Hause. Auch er sieht mürrisch aus, kein Lächeln im Gesicht.

Kurz nach dem historischen Handschlag gehen beide einen Gang entlang, biegen ab in einen Raum und nehmen schließlich auf zwei Sesseln vor den Flaggen ihrer Länder Platz. Trump formt die "Merkel-Raute", Kim schließt die Hände vor dem Körper. Trump sagt: "Wir werden eine tolle Beziehung haben, ich habe keine Zweifel." Kim sagt, dass beide Parteien vor dem Gipfel zahlreiche "Hindernisse" aus dem Weg räumen mussten. "Wir haben alle überwunden, und wir sind heute hier." Trump nickt mit dem Kopf und sagt: "So wahr, so wahr." Er schüttelt erneut Kims Hand und zeigt ihm dann seinen hochgereckten Daumen.

Für Kim ist das Treffen jetzt schon ein Erfolg

Die folgenden 45 Minuten reden sie unter vier Augen, nur die Dolmetscher bleiben im Raum. Sie zeigen sich kurz den Fotografen, als sie zum nächsten Treffen gehen. Um 9.55 Uhr sitzen Kim und Trump an einem Tisch mit ihren Beratern. Auf nordkoreanischer Seite sind das Außenminister Ri Yong-ho sowie der ehemalige Geheimdienstchef Kim Yong-chol, der den Gipfel, nachdem er zu scheitern drohte, in New York mit US-Außenminister Mike Pompeo wieder vorantrieb. Auch der sitzt jetzt am Tisch, direkt neben Trump.

Ganz außen hat US-Sicherheitsberater John Bolton Platz genommen, jener Mann, der die Nordkoreaner schwer verärgert hatte. Boltons Forderung: Nordkorea solle dem Vorbild Libyens folgen und sein Nuklearprogramm einstellen. Nordkoreanische Überläufer haben berichtet, dass Kim und sein Vater damals immer wieder die Bilder angeschaut hätten, als Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi, der selbsternannte "König der Könige", im Oktober 2011 aus einem Abwasserrohr nahe der Hafenstadt Sirte gezogen wurde, kurz darauf war er tot.

Das Treffen findet also tatsächlich statt. Und nicht nur das, es gibt auch eine Einigung. So viel ist klar, als gegen Viertel vor zwei Ortszeit Trump und Kim vor die Presse treten. Im Blitzlichtgewitter von Singapur unterzeichnen sie Dokumente. Darin verständigen sich die USA und Nordkorea dem Vernehmen nach auf Schritte zur atomaren Abrüstung der Koreanischen Halbinsel, am Ende soll die "vollständige Denuklearisierung" stehen. Washington gibt Pjöngjang zudem offenbar Sicherheitsgarantien. Was genau aber bedeutet das? Unklar ist zum Beispiel, wer wie kontrollieren soll, dass die Nordkoreaner ihre Atomwaffen auch abbauen. Nun wartet die Welt auf eine Pressekonferenz, in der sich Trump erklären will.

Vom genauen Inhalt der Vereinbarung wird abhängig sein, ob das Treffen ein Erfolg für den US-Präsidenten wird oder ein Flop. Für Kim ist es jetzt schon ein Erfolg: Er ist der erste nordkoreanische Regimeführer, der es geschafft hat, mit einen US-Präsidenten auf Augenhöhe an einem Tisch zu sitzen.

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