Gipfel in Washington:Biden treibt die Welt beim Klimaschutz an

Der US-Präsident verspricht eine Halbierung der Emissionen bis 2030. Japan, Kanada und Südkorea ziehen nach - China schweigt einstweilen. Merkel spricht von einer "Herkulesaufgabe".

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Vereinigten Staaten wollen im Klimaschutz zu den Europäern aufschließen. Bis 2030 sollen die klimaschädlichen Emissionen im Vergleich zum Jahr 2005 um 50 bis 52 Prozent sinken, kündigte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag in Washington an - zum Auftakt eines zweitägigen Klimagipfels, den er selbst einberufen hatte. "Die Wissenschaft lässt keinen Zweifel zu", sagte Biden. Die laufende Dekade bis 2030 entscheide über Erfolg und Misserfolg im Klimaschutz. Gleich mehrmals betonte er die Chancen für die Wirtschaft: "Millionen gut bezahlter Jobs" könnten durch Investitionen in Klimaschutz und neue Technologien entstehen, sagte Biden, dazu neue Exportmärkte für die USA. Die Botschaft bei dem virtuellen Treffen, an dem 40 Staats- und Regierungschefs teilnahmen, war nicht nur an den Rest der Welt gerichtet - sondern mehr noch an das eigene Land.

Erst am Mittwoch hatte sich die EU endgültig auf ein höheres Klimaziel verständigt. Bis 2030 wollen die Europäer ihre Emissionen um 55 Prozent mindern, allerdings im Vergleich zu 1990. Wäre auch für die EU das Jahr 2005 der Maßstab, entspräche das europäische Ziel ungefähr den Plänen Bidens. In Teilen gehe Biden sogar über die Pläne Europas hinaus, etwa mit dem Ziel eines CO2-freien Stromsektors bis 2035, sagt Niklas Höhne, Chef des Thinktanks New Climate Institute. "Die EU und Deutschland müssen aufpassen, in Sachen Klimaschutz nicht von den USA überholt zu werden."

Unter Bidens Vorgänger Donald Trump hatte sich vier Jahre lang politisch so gut wie nichts getan im Klimaschutz. Trump betrachtete den Klimaschutz nicht als Chance, sondern als Last für die Wirtschaft. Das Klimaabkommen von Paris verließ er, Biden kehrte zurück - es war eine seiner ersten Amtshandlungen. Formal soll das neue amerikanische Ziel nun auch eine offizielle Verpflichtung im Rahmen der Paris-Regeln werden. Alle Vertragsstaaten müssen solche Ziele vorlegen. Und Biden geht nun deutlich über die bisherigen Pläne hinaus.

Trumps Vorgänger Barack Obama, der das Abkommen 2015 mit ausgehandelt hatte, versprach seinerzeit ein Minus von 26 bis 28 Prozent, zu erreichen bis 2025. Das neue Ziel verschärft nun die Gangart deutlich. Bis 2019 hatten die USA, historisch gesehen das Land mit den meisten Treibhausgas-Emissionen, den Ausstoß um knapp zwölf Prozent unter den Wert von 2005 senken können, bis 2020 waren es gut 20 Prozent - allerdings massiv gedrückt durch die Pandemie. Das neue amerikanische Ziel sei "ehrgeizig und erreichbar", sagte Manish Bapna, Präsident des Washingtoner World Resources Institute. "Die Botschaft an andere große Emittenten ist klar: Jetzt seid ihr dran."

Diese anderen Emittenten kommen zu Wort bei Bidens Gipfel, einer nach dem anderen. Den Anfang macht Chinas Staatspräsident Xi Jinping. Er beschwört die Harmonie zwischen Mensch und Natur, stockt aber Chinas Klimaziele nicht auf. Indiens Premier Narendra Modi verweist auf Erfolge beim Ausbau der erneuerbaren Energien - rät aber zugleich zu weniger verschwenderischem Lebensstil. Es gehe auch um "back to basic", sagt Modi, weniger sei oft mehr. Auch Länder wie Südafrika, Brasilien und Indonesien bleiben vage. Viele Schwellenländer sehen die Hauptlast ohnehin bei den großen Wirtschaftsmächten der Vergangenheit - ihrer historischen Emissionen wegen (siehe Grafik).

Sie sind es auch, die an diesem "Earth day" am ehesten konkrete Zusagen machen. Japans Premierminister Yoshihide Suga, erst vorige Woche Bidens Gast im Weißen Haus, verspricht eine Minderung der Emissionen um 46 Prozent bis 2030, verglichen mit 2013. Kanada will seine Emissionen um 40 bis 45 Prozent senken, verglichen mit 2005, und selbst Südkorea stockt auf. Schon vor dem Gipfel war bekannt geworden, dass Großbritannien sich ein neues Ziel setzt, für 2035: Dann sollen die Emissionen um 78 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen.

Großbritannien ist auch Gastgeber der nächsten Klimakonferenz der Vereinten Nationen, die im November in Schottland stattfindet. Sein Gipfel, sagt auch Biden, "ist der erste Schritt auf dem Weg zur Konferenz in Glasgow". Das Pariser Klimaabkommen sieht eine regelmäßige Überprüfung und Anhebung der nationalen Ziele vor, und das erstmals vor der UN-Konferenz in Glasgow. Es wird erwartet, dass auch Staaten wie China bis dahin ihre Klimaziele überarbeiten - aber vielleicht nicht bei einem Gipfel auf Einladung der USA.

UN-Generalsekretär António Guterres ist es, der die Latte für die Staaten am höchsten hängt - auch für Deutschland. "Wir stehen am Rande des Abgrunds", mahnt er. Nötig sei ein Preis auf CO2, die Abschaffung klimafeindlicher Subventionen - und ein Ausstieg aus der Kohle, "bis 2030 in den reichen Staaten, bis 2040 überall sonst". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht den Ausstieg aus der Kohle in ihrer Rede an, als einen Beitrag Deutschlands bei der "Herkulesaufgabe" Klimaschutz. Allerdings lässt der deutsche Ausstieg hiesigen Kohlekraftwerken noch Zeit bis 2038.

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