Gipfel in Kanada:Die G 7 heißen nun G 6

G7-Gipfel in Kanada

Donald Trump war mit einigen seiner Positionen auf dem G-7-Gipfel isoliert - Kanzlerin Merkel bei der Überzeugungsarbeit.

(Foto: Jesco Denzel/dpa)

US-Präsident Trump forderte eine Wiederaufnahme Russlands in die G 7, blieb im Handelsstreit stur und bekam das, was er betreibt: Isolation. Mit ihm ist kein Bund zu machen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Bündnispolitik gehorcht gerade einer seltsamen Arithmetik. Sieben plus eins ist nicht acht sondern sechs. Der US-Präsident möchte Russland wieder in die G 7 hineinbefördern, aber dieser typisch Trump'sche Erschütterungs-Vorschlag führte lediglich dazu, dass die Grundregeln der Mathematik geändert werden müssen. Die USA wollen Isolation, sie betreiben Isolation, sie bekommen Isolation. Die G 7 heißen nun G 6, die USA dürfen aber weiter vorbeischauen. Wie lange der Laden noch zusammenhält, ist fraglich.

Dieser Präsident macht keinen Unterschied zwischen Freund und Feind. Er kennt keine Verbündeten, er kennt nur sich. Das ist alles schon sehr oft beklagt worden, aber nun spürt der Club der West-Verbündeten der USA die praktischen Folgen sehr konkret.

Beispiel Handel: Trump verweigert Verhandlungen als das minimale Entgegenkommen, das man von einem Verbündeten erwarten darf. Er ist isoliert am Tisch, verschließt sich aber jedem sachlichen Argument.

Zum Beispiel Russland: Der Ausschluss Moskaus aus der G 7 folgte ja einer Logik, auf der die gesamte Russland-Politik der EU, ja des Westens ruht. Man setzt Regeln (Unverletzbarkeit der Grenzen), die Regeln werden nicht eingehalten (Krim), also müssen Konsequenzen folgen (G-7-Ausschluss und Sanktionen), bis die Regeln wieder hergestellt sind. Trumps Überraschungsangriff zerstört diese Logik und treibt die Verbündeten zurecht in den Zorn.

Regel, Bedingung, Konsequenz: Das ist die klassische Handlungs-Sequenz in einer Staatengemeinschaft, die aus gemeinsamen Regeln Stärke bezieht. Nur Willkürregime folgen keinen Regeln, sie setzen sie nach Bedarf. Dieser Unterschied hat immer die Attraktivität des Westens ausgemacht.

Donald Trump ignoriert nun die Regeln, die Kette bricht, die USA setzen das Signal, dass jeder tun und lassen kann, was er für richtig hält. Der Stärkere wird schon gewinnen. Die neue italienische Regierung unter Giuseppe Conte geriet sofort in Versuchung und durfte dann den Mechanismus im Praxistest erleben.

Conte twitterte fröhlich im Einklang mit Trump zugunsten der Rückkehr Russlands, bis ihm die EU-Staaten in der G 7 wohl klar machten, dass sie anderer Meinung seien und diese Solonummer in Sachen Russland Konsequenzen für Italien haben dürfte. Conte durfte entscheiden, wer aus seiner Sicht der wichtigere Partner ist: die EU oder die USA.

Sind die G 7 überflüssig geworden?

Der fröhliche Bildungsbürger Emmanuel Macron zitierte Bismarck, der allen Zuschauern riet, einfach nur die Würste zu genießen. Einen Blick in die Küche des Metzgers solle man aber besser nicht riskieren. So muss man sich das G-7-Treffen vorstellen: eine blutige Metzgerküche. Es geht um viel: Die Zukunft von Wachstum und Arbeitsplätzen unter dem Druck von Handelssanktionen, die Geschlossenheit und damit Unangreifbarkeit des Westens, das Wertegerüst, mit dem man in der Welt Maßstäbe setzt. Donald Trump ist ein erbärmlicher Metzgergeselle, weil er die Zutaten für eine gute Wurst nicht kennt und weil er den Blick in die Küche ermöglicht.

Sind die G 7 also überflüssig geworden? Nicht ganz so schnell. So lange Trump kommt, kann man ihm immer noch eine Lektion in Sachen Geschlossenheit erteilen. Diese Begegnung auf Augenhöhe ist elementar für Staatenlenker, besonders für einen Halbgott wie Trump, der im Weißen Haus keinen Widerspruch mehr erhält und sich eben mal locker über das Gesetz stellt, wenn er etwa glaubt, sich jederzeit selbst begnadigen zu können.

Zweitens sind Treffen dieser Art immer noch die beste Option, die Trump-Masche zu durchkreuzen. Der Präsident droht stets mit größtmöglichem Chaos, zieht dann zurück und behauptet anschließend, er habe etwas erreicht. So treibt er es mit Iran, dessen Regime nach Aufkündigung des Nuklearabkommens angeblich sein Verhalten geändert habe (hat es nicht), so ist es teilweise im Handelsstreit mit China (wo Trump seltsame Ausnahmen in der Strafpolitik ermöglicht), so wird es am Dienstag mit Kim Jong-un sein, der angeblich nuklear komplett abrüsten will (aber bisher nur ein Burger-Restaurant im Land eröffnet hat).

Manchmal blufft Trump nur, manchmal reagiert er wahnwitzig gefährlich, immer spaltet er. Freunde werden zu Feinden und Feinde vermeintlich zu Freunden. Mit diesem Präsidenten ist kein Bund zu schließen. Man wird ihn aushalten müssen.

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