Gipfel in Brüssel:EU-Partner gehen auf Großbritannien zu

Britain's PM Cameron and Germany's Chancellor Merkel pose for a family photo during a EU leaders summit in Brussels

Der britische Regierungschef David Cameron und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brüssel

(Foto: REUTERS)
  • Bundeskanzlerin Merkel gibt sich zuversichtlich, dass Mitte 2016 eine Verstärkung des europäischen Grenzschutzes beschlossen wird.
  • Der britische Premier David Cameron und Bundeskanzlerin Merkel sind optimistisch, dass Lösungen gefunden werden, damit Großbritannien auch nach einem Referendum in der EU bleibt.
  • In der Flüchtlingspolitik ist die Bilanz ernüchternd: Bisher sind nur zwei von elf Registrierungs-Hotspots in Betrieb.
  • Auch bei der Verteilung der Asylsuchenden unter den Mitgliedsländern kommt die EU nicht voran.

Einigung mit Großbritannien "mit gutem Willen" möglich

Über die Aussichten für einen Kompromiss zu den umstrittenen Forderungen Großbritanniens nach einer EU-Reform zeigte sich Bundeskanzlerin Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel optimistisch. Nach den Beratungen über die Vorschläge des britischen Premierministers David Cameron sagte sie: "Bei gutem Willen kann man auch hier Wege finden, die den verschiedenen Anliegen gerecht werden."

Eine Änderung der europäischen Verträge schloss Merkel grundsätzlich nicht aus ("das könnte so sein"), mahnte aber ein verantwortungsvolles Handeln an. EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte: "Ich bin viel optimistischer als vor unserem Treffen."

Cameron will die Bürger seines Landes über den Verbleib in der Europäischen Union abstimmen lassen. Vor dem Referendum will Cameron die Bedingungen der britischen EU-Mitgliedschaft neu aushandeln. Besonders umstritten ist der Plan, dass zugewanderte EU-Bürger vier Jahre in Großbritannien gearbeitet haben müssen, um bestimmte Sozialleistungen zu erhalten.

Deal mit Cameron soll im Februar fertig sein

Zum nächsten Gipfel im Februar soll eine Vereinbarung stehen. Der konservative britische Premier zeigte sich optimistisch, dass seine Reformforderungen in der EU auf offene Ohren stoßen. "Nach dieser Nacht bin ich zuversichtlich, dass wir Lösungen finden können", sagte Cameron.

Er freue sich über die "enorme Unterstützung" dafür, Lösungen zu finden, die Großbritannien in der EU hielten. "Es wird viel harte Arbeit brauchen, aber ich habe heute Nacht viel guten Willen gespürt", sagte Cameron.

EU-Staaten wollen gemeinsamen Grenzschutz bis Juni 2016

Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht nur geringen Widerstand der anderen EU-Staaten gegen die geplante deutliche Verstärkung des europäischen Grenzschutzes. Nur eine der 28 Regierungen habe in den Beratungen auf dem EU-Gipfel Pläne kritisiert, eine europäische Grenzschutzmission notfalls auch gegen den Willen eines EU-Staates einzusetzen, sagte Merkel in der Nacht zu Freitag in Brüssel. Darüber solle bis Ende Juni 2016 entschieden werden.

Zudem wies Merkel Kritik etwa aus Osteuropa zurück, diesen Eingriff in die Souveränität mit einer Mehrheitsentscheidung zu beschließen. Die allermeisten EU-Entscheidungen würden nicht mit Einstimmigkeit beschlossen. Ungarn und die Slowakei klagen beim Europäischen Gerichtshof bereits gegen eine Mehrheitsentscheidung über die Verteilung von 160 000 Flüchtlingen auf die EU-Staaten.

Merkel hielt an ihrer Forderung fest, verbindliche und dauerhafte Mechanismen zur Verteilung der Flüchtlinge vor allem aus Syrien zu schaffen. Allerdings warnte sie vor zu großen Erwartungen. "Wir haben das Problem seit vier Monaten oder fünf Monaten. Für manche Sachen haben wir in Europa zehn Jahre gebraucht, so wichtig waren sie. Jetzt müssen wir das ein bisschen schneller lernen."

Ernüchternde Bilanz zu Beginn des Spitzentreffens

Zum Auftakt des zweitägigen Gipfels war von Optimismus wenig zu hören gewesen: Die luxemburgische Ratspräsidentschaft hatte eine ernüchternde Bilanz der bisherigen Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik vorgelegt. "Die Umsetzung schreitet in einigen Gebieten zügig voran, aber beträchtliche Lücken bleiben", heißt es in dem Bericht.

So seien bisher nur 184 von den vereinbarten 160 000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland in andere EU-Ländern weiterverteilt worden. Von elf geplanten Hotspots, in denen Flüchtlinge registriert werden sollen, seien nur zwei in Betrieb (mehr Details in diesem SZ-Artikel von Daniel Brössler und Thomas Kirchner).

Türkei führt Visumspflicht für Syrer ein

Vor dem Gipfel trafen sich Vertreter von Staaten, die bereit sind, der Türkei eine substanzielle Zahl von Flüchtlingen direkt abzunehmen, mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmed Davutoğlu. Im Gegenzug soll die Türkei dafür sorgen, dass Flüchtlinge nicht mehr ungehindert Richtung EU ziehen können. Zu der Gruppe zählen elf Länder, darunter Deutschland. Davutoğlu teilte mit, die Türkei werde künftig von Syrern ein Visum verlangen, und zwar vom 8. Januar an. Dies werde die Einreisen verringern.

Unklar ist, inwieweit die jüngste Vereinbarung mit Ankara schon Früchte trägt. Nach Angaben der EU-Kommission kommen täglich nur noch 2000 Flüchtlinge in Griechenland an, nach fast 7000 im September und Oktober. Der Bericht der Ratspräsidentschaft hingegen spricht nur von einem "leichten Rückgang" auf 4000 Personen und deutet an, dass dies auch am schlechteren Wetter liegen könnte.

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