Gipfel auf Malta:EU will Wirtschaftsmacht ausbauen - notfalls gegen Amerika

  • Bei ihrem Gipfeltreffen auf Malta signalisiert die EU, notfalls gegen Amerika ihre Wirtschaftsmacht auszubauen.
  • Bundeskanzlerin Merkel gibt als Parole aus: Je besser die EU mit sich selbst zurechtkomme, desto stärker könne sie gegenüber Trump auftreten.
  • Die Staats- und Regierungschefs bekennen sich zu einer "effektiven Kontrolle unserer Außengrenzen und zur Eindämmung illegaler Migrationsströme in die EU".

Von Daniel Brössler, Valletta

Es kommt ein bisschen auf die Perspektive an, aber für überzeugte Europäer gab es am Freitag ein paar schöne Momente. Da stand auf der winzigen Mittelmeerinsel Malta der Premierminister des ebenfalls überschaubaren Großherzogtums Luxemburg vor dem Palast des Großmeisters und sprach: "Amerika ist ein Partner von Europa, aber das heißt auch, dass Amerika Europa braucht."

Was in den Ohren eines Donald Trump wie ein Witz klingen mag, meinte Xavier Bettel so ernst wie viele der anderen Staats- und Regierungschefs beim Sondergipfel der EU in Malta. Die Union der Mittelgroßen, Kleinen und Winzigen will versuchen, dem unberechenbaren neuen Anführer der Supermacht Amerika furchtlos und selbstbewusst entgegenzutreten.

Dabei fiel schon auf, dass die Schärfe des Tons gelegentlich in umgekehrtem Verhältnis zur Größe des Staates stand, den die Gipfelteilnehmer zu vertreten hatten. "Es ist für die internationale Gemeinschaft nicht akzeptabel, wenn sich Amerika aus jeder Verantwortung stehlen will", protestierte Österreichs Bundeskanzler Christian Kern gegen Trumps Einreisestopp für Bürger sieben muslimischer Staaten. Schließlich hätten die USA durch ihre Militäraktionen die Flüchtlingsströme mitzuverantworten. Das müsse "mit aller Klarheit unseren amerikanischen Freunden" nähergebracht werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel - eine der wenigen der in Malta Versammelten, die mit Trump schon ausführlicher telefoniert haben - gab eine andere Parole aus: Je besser die EU mit sich selbst zurechtkomme, desto stärker könne sie gegenüber Trump auftreten. "Europa hat sein Schicksal selbst in der Hand", sagte sie. Deshalb stehe für sie "das Sprechen über Europa im Vordergrund und nicht das Befassen mit anderen Teilen der Welt".

Zwei Wochen sind vergangen seit Trumps Amtsantritt. Zwei Wochen, die den Europäern den Atem geraubt haben, denn erstmals in der Geschichte der EU sitzt im Weißen Haus nicht mehr nur kein Freund, sondern offenbar ein Feind. Als EU-Ratspräsident Donald Tusk seine Sprache wiederfand, zählte er Trump zu den "Gefahren" für Europa.

Der EU droht eine ihrer Existenzgrundlagen abhanden zu kommen: die Partnerschaft mit der Weltführungsmacht USA. Was nun? Vor dieser Frage standen die Staats-und Regierungschefs nach einer Bootsfahrt unter der Sonne Maltas. Beim Mittagessen berichteten die Britin Theresa May über ihr Treffen sowie Frankreichs Präsident François Hollande und Merkel über ihre Telefonate mit Trump. Tusk hatte darum gebeten, sozusagen als Gesprächsgrundlage.

EU 2017: Geschlossene Reihen - und solche, die ausscheren

Zu klären war, welche Wirkung ein US-Präsident, der den Brexit "großartig" findet und weiteren Austritten entgegenfiebert, nun eigentlich entfaltet: Vertieft er die Spaltungen oder fördert der Druck durch Trump den Zusammenhalt? EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wusste es auch nicht. "Wir stehen da in geschlossenen Reihen zusammen, aber wir müssen uns mit allen Europäern auf das Wesentliche neu verständigen. Es gibt da einige, die ausbüxen möchten", sagte er.

Beides also, geschlossene Reihen - und solche, die ausscheren. Es klingt paradox, aber so ist die EU 2017. Bis auf die Briten will keiner raus, auch die Trump-Freunde Ungarn und Polen nicht, aber was aus der Union 60 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge werden soll, darüber gehen die Meinungen sieben Wochen vor dem Jubiläumsgipfel auseinander. Ohnehin ging Merkel am Freitagabend davon aus, "dass es auch eine EU mit verschiedenen Geschwindigkeiten geben wird, dass nicht alle immer an den gleichen Integrationsstufen teilnehmen werden".

Der Brüsseler Plan ist es, die EU als Wirtschafts- und Wertemacht zu positionieren - notfalls auch gegen den Ex-Mentor USA. Die EU-Kommission erinnerte daran, dass 80 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen in den USA aus der EU kämen. Und ließ anklingen, alle Welt wolle nun mit Europa ins Geschäft kommen. Mehr denn je werde die EU gebraucht als "Bezugsgröße für unsere Partner", sagte die Außenbeauftragte Federica Mogherini. Und an Trump: "Unser Weg sind Kooperation und Partnerschaft. Wir glauben nicht an Mauern."

Wie dieser "europäische Weg" aussieht, steht in der Erklärung von Malta. Die Chefs bekennen sich darin zu einer "effektiven Kontrolle unserer Außengrenzen und zur Eindämmung illegaler Migrationsströme in die EU". Die Route über die Türkei und den Balkan ist praktisch geschlossen. Nun soll auch der Weg über Libyen und das zentrale Mittelmeer abgeschnitten werden. Mit aller Macht soll der fast zerfallene Staat Libyen in die Lage versetzt werden, dabei zu helfen.

In Malta wollte die EU beides: als moralischer Leuchtturm erscheinen und den knallharten Problemlöser geben. Irgendwo dazwischen wird die Union in der Ära Trump ihr Heil suchen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: