Süddeutsche Zeitung

Giftanschlag in Salisbury:Verdächtiger im Fall Skripal soll russischer Geheimagent sein

  • Die Recherchegruppe Bellingcat will die wahre Identität eines der Verdächtigen im Fall Skripal herausgefunden haben.
  • Demnach soll es sich bei dem Mann um Oberst Anatoli Tschepiga handeln - einen früheren Geheimagenten des russischen Militärnachrichtendienstes GRU.
  • Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte abermals, dass es keine Beweise für eine Verstrickung Moskaus in dem Fall gebe.

Die zwei Männer haben den Vorwurf zurückgewiesen, den Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter verübt zu haben. Dafür sind sie sogar im russischen Fernsehen aufgetreten und haben erklärt, sie seien nur als Touristen im britischen Salisbury unterwegs gewesen. Jetzt wollen Journalisten der Recherchegruppe Bellingcat die wahre Identität von einem der Männer ermittelt haben.

Bei dem Verdächtigen, der im TV als "Ruslan Boschirow" auftrat, soll es sich um Oberst Anatoli Tschepiga handeln - einen früheren Geheimagenten des russischen Militärnachrichtendienstes GRU. Der Website des Recherchenetzwerkes Bellingcat zufolge soll Tschepiga mit der höchsten Ehrung des Landes ausgezeichnet worden sein - dem "Held der russischen Föderation". Die Auszeichnung wird gewöhnlich von Russlands Präsident persönlich übergeben. Mehrere anonyme Quellen hätten die Identität Tschepigas bestätigt.

Nach Recherchen von Bellingcat wurde Tschepiga am 5. Mai 1979 in Russland nahe der chinesischen Grenze geboren. Mit 18 Jahren sei er auf eine Militärschule gewechselt, die als Eliteschule für Marinesoldaten gelte. Im Jahr 2001 habe Chepiga die Ausbildung dort mit Auszeichnung abgeschlossen. Die Tarnidentität "Ruslan Boschirow" habe er zwischen 2003 und 2010 erhalten. Unter diesem Namen sei er nach Moskau versetzt worden.

Russischer Außenminister betont: keine Beweise für Verstrickung Moskaus

Weder Scotland Yard noch das britische Innenministerium wollten sich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zu dem Bericht äußern. Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte abermals, dass es keine Beweise für eine Verstrickung Moskaus in dem Fall gebe. "Jedes Mal, wenn etwas dazu erklärt wird, gibt es keine hundertprozentigen Beweise", sagte der russische Chefdiplomat in New York. Die neuen Erkenntnisse von Bellingcat kommentierte er nicht.

Russlands Präsident Wladimir Putin sagte Mitte September noch, die Verdächtigen seien unbescholtene Bürger, an denen "nichts Besonderes oder Kriminelles" sei. Den Vorwurf, es handele sich um Militärangehörige hatte er zurückgewiesen. Putin forderte die Männer dazu auf, die Medien zu kontaktieren und ihre Version der Geschichte zu erzählen.

Zuvor hatten die britischen Behörden Bilder von Überwachungskameras veröffentlicht, anhand derer sich der Weg zweier russischer Staatsbürger verfolgen lässt, die am 2. März mit einer Maschine aus Moskau in London landeten, in einem Hotel in der britischen Hauptstadt übernachteten und in den folgenden zwei Tagen zwei Mal in die südenglische Stadt Salisbury fuhren. Dort wurden am 4. März der ehemalige Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia mit dem Kampfstoff Nowitschok vergiftet.

Die britische Premierministerin Theresa May äußerte sich überzeugt davon, dass die mutmaßlichen Täter unter falschem Namen gereist und in Wirklichkeit Agenten des russischen Militärgeheimdienstes GRU seien. Die Regierungen der USA, Deutschlands und mehrerer weiterer Staaten teilen diese Auffassung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4147003
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/fie/lalse
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.