Der Staat schafft es nur selten, den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende vom zahlungsflichtigen Elternteil einzutreiben. Familienministerin Franziska Giffey hat am Montag versucht, den historischen Tiefstand der sogenannten "Rückgriffsquote" zu rechtfertigen - und versprochen, künftig mehr Geld zurückzuholen.
Im Jahr 2018 hat sich der Staat nur in 13 Prozent der Fälle die Geldleistung für Trennungskinder vom zahlungspflichtigen Elternteil zurückgeholt, im Jahr zuvor waren es 19 Prozent, 2016 noch 23 Prozent. Über den Rückgang hatte zunächst die SZ berichtet.
Bei einer Pressekonferenz erklärte die Familienministerin, dass der Rückgang darin begründet sei, dass sich die Anträge auf Unterhaltsvorschuss seit einer Gesetzesänderung Mitte 2017 auf knapp 800 000 Fälle verdoppelt haben. In absoluten Zahlen wurde aber mehr Geld eingetrieben: 270 Millionen in 2018 und damit 70 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor.
Exklusiv Alleinerziehende:Unterhalt wird immer seltener eingetrieben
Wenn ein Elternteil nach der Trennung keinen Unterhalt fürs Kind zahlt, springt der Staat ein und holt sich das Geld später zurück. Immer öfter klappt das nicht.
Bis zur Gesetzesänderung zahlte der Staat den Unterhaltsvorschuss längstens bis zum zwölften Geburtstag des Kindes und für maximal sechs Jahre. Diese Beschränkungen wurden aufgehoben. Anspruch haben seitdem alle Trennungskinder bis zum 18. Lebensjahr, wenn das zahlungspflichtige Elternteil den Unterhalt verweigert. Die Folge war eine Flut von Anträgen, mit der die Verantwortlichen nicht gerechnet hatten und der viele Jugendämter nicht gewachsen waren. Giffey feierte die Gesetzesänderung als Erfolg: "Wir haben fast 400 000 Kinder aus versteckter Armut geholt." Während in den Jugendämtern der Fokus zunächst darauf gelegen habe, die Anträge abzuarbeiten, gelte es in diesem Jahr, mehr Geld von säumigen Vätern oder Müttern zurückzuholen.
Die Bundesfamilienministerin wies in diesem Zusammenhang auch auf ein statistisches Problem hin: Bisher wird nicht unterschieden, ob ein getrenntes Elternteil für seine Kinder nicht zahlen will oder wegen Arbeitslosigkeit oder eines zu geringen Einkommens nicht kann. Um sich ein realistisches Ziel für die Rückholquote setzen zu können, müsse die Statistik zunächst zwischen zahlungsunfähig und zahlungsunwillig differenzieren.
Man brauche eine "echte, ehrliche Zahl", sagte Giffey und kündigte an: "2019 wird im Zeichen der Erhöhung der Rückgriffsquote stehen." Sie sei offen, unkonventionelle und innovative Wege auszuprobieren, zum Beispiel eine Kooperation mit Finanzämtern oder "Nebenstrafen" wie Fahrverbote für zahlungsunwillige Elternteile. Bisher wird meist nicht überprüft, ob säumige Eltern tatsächlich so wenig verdienen, wie sie beim Jugendamt angeben.
Dass so wenige getrennte Eltern Unterhalt zahlen, könnte auch daran liegen, dass Familien nach einer Trennung häufig nicht mehr das klassische Modell "einer betreut, einer bezahlt" leben. Bisher nimmt das Familienrecht jedoch keine Rücksicht darauf, ob ein Elternteil nach der Trennung sein Kind gar nicht sieht oder nur alle zwei Wochen besucht oder auch im Alltag mit ihm lebt. Solange die Betreuung nicht exakt hälftig aufgeteilt wird, bleibt der Elternteil, der weniger betreut, in vollem Umfang unterhaltspflichtig. Giffey sagte dazu: "Wir müssen auch überlegen, wie kann das Unterhaltsrecht so verändert werden, dass es auch dem heutigen Anspruch von Familien entspricht."