Doktortitel:Giffey wird zur tragischen Figur

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Bundesfamilienministerin auf Bewährung: Franziska Giffey. (Foto: imago images/Emmanuele Contini)

Die Familienministerin hätte das Zeug zur Regierenden Bürgermeisterin von Berlin. Doch solange ihre Doktorarbeit unter Plagiatsverdacht steht, darf sie der SPD ihre Kandidatur nicht zumuten.

Kommentar von Jan Heidtmann, Berlin

Anders als gedacht, kann ein Doktortitel Karrieren nicht nur befördern sondern auch beenden. Die Plagiatswächter von Vroniplag sind seit 2011 unterwegs, seitdem wächst die Liste der Amtsträger a. D. stetig an. Der frühere Wirtschafts- und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gehört dazu, auch die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). Sie trat 2013 unter Plagiatsvorwürfen zurück.

Mit auf dieser Liste steht nun auch Franziska Giffey. Die Freie Universität Berlin (FU) hat angekündigt, die Arbeit und den damit verliehenen Titel erneut zu prüfen. Seitdem ist sie eine Bundesfamilienministerin auf Bewährung. Giffeys Ankündigung, den Doktortitel nicht mehr führen zu wollen, ändert daran kaum etwas. Der freiwillige Verzicht ist der Versuch, sich von dem unseligen Prüfungs-Prozedere an der FU zu befreien. Giffey will als Politikerin wieder die Initiative gewinnen.

Plagiatsvorwürfe gegen Giffey
:"Abschließende Überprüfung und Bewertung unerlässlich"

Familienministerin Franziska Giffey will auf das Führen ihres Doktortitels verzichten. Dem Koalitionspartner und den Oppositionsparteien geht das nicht weit genug.

Der Ministerin ist die Entscheidung sichtlich schwergefallen, mehr als eine Woche lang hat sie sich Zeit gelassen. Um so dankbarer wurde die Ankündigung dann in der SPD Berlin aufgenommen. In der Hauptstadt wird in einem Jahr gewählt, Ende November soll Giffey den Landesvorsitz der Partei als Co-Vorsitzende übernehmen, im Dezember soll sie zur Bürgermeisterkandidatin gekürt werden. So feierten die Berliner Genossen Giffeys freiwilligen Verzicht als "Befreiungsschlag": "Großer Respekt vor Deiner Entscheidung", hieß es. "Wir stehen solidarisch an Deiner Seite." Allein, auch das wird kaum helfen.

Die Entscheidung der Universität wird irgendwann in den kommenden Monaten fallen. Bis dahin wird die Ungewissheit wie ein Menetekel über der Bundesfamilienministerin schweben. Im Fall von Karl-Theodor zu Guttenberg sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie habe ihn als Minister bestellt "und nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter". Sein Amt verlor er trotzdem. Franziska Giffey hat nicht so dreist und derart vorsätzlich plagiiert wie einst der Freiherr. Trotzdem müsste sie gehen, sollte die FU ihr den Doktortitel schließlich aberkennen. Das jedenfalls hat Giffey vor einem Jahr noch selbst erklärt. Es wäre auch kaum zu vermitteln, weshalb eine Bildungsministerin Schavan in einem vergleichbaren Fall zurücktritt, eine Familienministerin Giffey aber nicht.

Die Entscheidung der Universität ist jedoch auch ein Menetekel für die SPD-Landesvorsitzende und Bürgermeisterkandidatin Giffey. Zwar argumentieren die Genossen in der Hauptstadt, dass eine Berliner Bürgermeisterin keinen Doktortitel brauche. "Es macht sie politisch nicht aus, einen solchen Titel zu haben", sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD). Aber: Weshalb sollten für eine Berliner Bürgermeisterin andere Maßstäbe gelten als für eine Bundesfamilienministerin? Meint Franziska Giffey es ernst mit ihrer Glaubwürdigkeit, dürfte sie nicht Spitzenkandidatin in Berlin werden.

Diese Doktorarbeit hat der Politikerin Giffey schon einiges abverlangt. Sie hat sich wegen der ersten Prüfung nicht um den Parteivorsitz der Bundes-SPD beworben. Sie hat ihr Ministeramt zur Disposition gestellt. Zur Regierenden Bürgermeisterin hätte sie das Zeug, doch eigentlich darf sie ihre Kandidatur der Berliner SPD nicht zumuten. Das Ganze hat etwas Tragisches. Denn so viele offensichtliche Talente gibt es in der SPD nun auch nicht.

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