Süddeutsche Zeitung

Brexit:Sonderfall Gibraltar

Der Brexit-Vertrag beinhaltet keine Lösung für das Territorium an der Südspitze der Iberischen Halbinsel, London und Madrid verhandeln noch, um dort eine harte EU-Grenze zu vermeiden.

Von Sebastian Schoepp

Im Brexit-Vertrag zwischen der EU und Großbritannien wird Gibraltar nur einmal erwähnt: auf Seite 410, Punkt drei, mit der Aussage, dass das Handelsabkommen keinerlei Effekt für dieses Territorium an der Südspitze der Iberischen Halbinsel habe. Das allerdings ist eine grobe Untertreibung. Ohne eigenes Abkommen gibt es eine harte Grenze zwischen dem britischen Außengebiet und Spanien - mit massiven Auswirkungen für Arbeitskräfte, Touristen und andere wichtige wirtschaftliche Verbindungen.

Die spanische Regierung hat am Dienstag erklärt, sie betrachte die Demarkationslinie zwischen Gibraltar und ihrem Territorium von 1. Januar an als EU-Außengrenze. Madrid ist im Prinzip damit einverstanden, Gibraltar in den Schengen-Raum aufzunehmen, dem Großbritannien nicht angehört. Die Frage ist allerdings, wer dann die Grenze kontrolliert.

Zunächst könnte es nach Madrids Vorstellung die EU-Grenzschutztruppe Frontex sein, später aber auch spanische Grenzbeamte, wie spanische Medienberichte am Dienstag behaupteten. Spanische Polizisten oder Grenzer in Gibraltar aber wären womöglich aus Londoner Sicht der erste Schritt zum Ende seiner jahrhundertealten Souveränität über den Affenfelsen.

Spanien hatte sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die EU das Thema getrennt von den Brexit-Verhandlungen angeht. Die spanische Regierung bestand darauf, bei der Zukunft von Gibraltar ein Mitspracherecht zu haben. Seit Juli wird zwischen Madrid und London darüber intensiv verhandelt. Spaniens Außenministerin Arancha González Laya sagte am Montag, falls es kein Sonderabkommen mit Großbritannien gebe, wäre der Felsen von Gibraltar der einzige Ort, an dem es einen "harten Brexit" geben werde. In London musste das als Ultimatum aufgefasst werden.

Spanien hat seinen Anspruch auf den Affenfelsen nie aufgegeben

Ohne Übereinkunft, so sagte González Laya weiter, müssten Reisende künftig am Übergang zwischen Gibraltar und Spanien den Reisepass vorweisen, mit Ausnahme von 15 000 vorher registrierten Arbeitern, bei denen der Personalausweis genügt. Eine der Folgen dürfte sein, dass sich nach Silvester dort "Schlangen bilden, wie wir sie in Dover gesehen haben". Viele Bewohner Gibraltars würden überdies Privilegien verlieren, wie etwa den Zugang zur spanischen Sozialversicherung.

Gibraltar war 1713 Großbritannien überlassen worden. Spanien hat aber seinen Anspruch darauf nie aufgegeben. Seit drei Jahrhunderten gewährt das strategisch wichtige Territorium der britischen Marine Kontrolle über den schmalen Seeweg vom Mittelmeer zum Atlantischen Ozean. 2016 stimmten bei einem Referendum 96 Prozent der Wahlberechtigten unter den 34 000 Einwohnern Gibraltars dagegen, dass Großbritannien die EU verlässt.

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