Süddeutsche Zeitung

Italien:EU-Austritt nach britischem Vorbild

Eine neue Partei will den Italexit, also die Union und den Euro verlassen. Bisher besteht sie allerdings nur aus einem Mann: Gianluigi Paragone.

Von Oliver Meiler, Rom

Der Name ist ein wohl gehütetes Geheimnis, auch das Symbol der neuen Partei behält Gianluigi Paragone für sich - einen Tag noch, an diesem Donnerstag will er sie vorstellen. "Die Gerüchte haben einzig als Werbetrommel gedient", sagte er in einem Interview, er brauche schließlich Geld. Sicher ist bisher nur die Ausrichtung, sie lässt sich in eine griffige Formel fassen, die gerade so gar nicht in die Zeit zu passen scheint: Italexit.

Der Norditaliener Paragone, 48, früher Journalist und nun Senator der Republik, will eine Partei gründen, die Italiens Austritt aus dem Euro und der Europäischen Union fordert. Am Wochenende traf er sich mit Nigel Farage, dem Initiator des Brexit, er hält ihn für eine Inspiration. La Repubblica fragte Paragone, ob er denn denke, dass das Timing für den Start seines Abenteuers mit seiner "Null-Komma-irgendwas-Prozent-Partei" gut gewählt sei, nachdem die EU in ihrem Wiederaufbaufonds gerade sehr viel Geld für Italien beschloss - 209 Milliarden insgesamt und davon 82 Milliarden als Zuschüsse.

"Denken Sie wirklich, das Geld geht an die Italiener?", fragte Paragone zurück und behauptete, die Banken würden es bekommen. "Die Bürger werden davon keinen Cent sehen." Europa sei eine einzige Täuschung, es sei Zeit für einen Kurswechsel. Seine Partei werde dann die einzige im Land sein, die tatsächlich mit der Union brechen wolle - souveränistischer noch als Matteo Salvinis Lega und die postfaschistischen Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni.

Wie groß das Wählerpotenzial von Paragones Partei sein wird, ist nicht absehbar. Zunächst nicht sehr groß, er ist allein. Und wahrscheinlich sind die meisten Italiener recht zufrieden damit, wie die EU in dieser Phase der Pandemie mit den Ländern umgeht, die Hilfe besonders brauchen. Außerdem fragt sich, warum Paragone überhaupt eine eigene Partei gründet, eigentlich passt er perfekt zur Lega. Die EU beschreibt er mit denselben Worten wie Salvini, über Immigration schrieb er einmal ein Buch, der Titel: "Die Invasion". Früher, vor seiner Karriere als Fernsehjournalist und Moderator mit Sinn für politische Provokationen beim staatlichen Sender Rai, war Paragone eine Weile Chefredakteur von La Padania, der mittlerweile eingegangenen Parteizeitung der damaligen Lega Nord. Auch Salvini arbeitete da, er machte Radio.

Wie Paragone auf der Liste der Cinque Stelle landete, wurde nie ganz klar

Gewählt wurde Paragone 2018 aber auf einer Liste der Cinque Stelle in der Lombardei. Wie er da landete, wurde nie ganz klar. Ständig stritt er sich mit den Kollegen der Protestbewegung, jedes Parlamentsgeschäft gab Anlass für Scharmützel. Als vergangenen Sommer Giuseppe Contes Regierung mit der Lega zerfiel und die Cinque Stelle stattdessen ein Bündnis mit den Sozialdemokraten eingingen, enthielt sich Paragone der Stimme. Vor einem halben Jahr verließ er die Fraktion. Die meisten Analysten des italienischen Politikbetriebs und seiner Verästelungen waren überzeugt, dass er sofort zur Lega wechseln würde.

Doch Paragone trat dem "Gruppo misto" bei, der gemischten Parlamentsfraktion. Dort finden sich alle Fraktionslosen und Parteiabgänger zusammen, ideologisch munter durcheinandergewürfelt. Da hat man auch viel Zeit, sich neue Abenteuer auszudenken, mit wunderlichem Timing.

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SZ vom 23.07.2020/hij
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