Gewerkschaften:Betriebsrat unerwünscht

Arbeitnehmervertreter werden immer häufiger bei ihrer Arbeit behindert, klagen Gewerkschaften. Sie fordern härtere Strafen für Arbeitgeber, die Betriebsräte verhindern wollen, und nehmen die kommende Bundesregierung in die Pflicht.

Von Detlef Esslinger, Hannover

Die Gewerkschaften fordern von der künftigen Bundesregierung, gegen Arbeitgeber vorzugehen, die die Wahl von Betriebsräten verhindern wollen. DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte, bei diesen Taten handele es sich um kein Kavaliersdelikt. Sie müssten "hart bestraft" werden.

Hoffmann sprach am Sonntag und Montag zur Eröffnung zweier Gewerkschaftskongresse: in Hannover bei der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und in Berlin bei der IG Bauen, Agrar, Umwelt (IG Bau). Er sagte, die Behinderung von Betriebsräten scheine ein "neuer Volkssport" geworden zu sein und nannte das Beispiel einer Firma aus Niedersachsen, die Kabel- und Rohrleitungen baut. Einem Mitarbeiter, der dort zur Wahlversammlung aufgerufen hatte, sei fristlos gekündigt worden, und auch alle anderen als IG-Bau-Mitglieder bekannten Arbeitnehmer in der Firma hätten die Kündigung bekommen. Zwar verlor die Firma nach Hoffmanns Darstellung vor dem Arbeitsgericht, trotzdem müssten "wir die Demokratie in den Betrieben noch besser schützen". Hier würden die Gewerkschaften die neue Koalition in die Pflicht nehmen.

Dem möglichen Jamaika-Bündnis sehen die Gewerkschaften eher skeptisch entgegen

Mit der Behinderung von Betriebsräten hat auch die IG BCE nach wie vor zu kämpfen. Ihr Vorsitzender Michael Vassiliadis griff in Hannover nicht näher genannte Arbeitgeber "in BDI, BDA oder sonstwo " an. Seine Gewerkschaft gilt traditionell als eher konsensorientiert und unideologisch, mit den Arbeitgebern pflegt sie eigentlich eine Rollenverteilung: Sie lobbyiert bei SPD-Politikern, die Arbeitgeber bei Unions- und (demnächst wieder) FDP-Politikern. Was aber nicht gehe, sagte Vassiliadis: "dass wir eine fehlgeleitete Energiepolitik gemeinsam kritisieren, und dann müssen wir uns zugleich ideologischer Schaumschlägerei gegen Betriebsräte und die Mitbestimmung erwehren".

Die IG BCE hatte bereits vor zwei Jahren gefordert, die Behinderung von Betriebsratsarbeit härter zu bestrafen. Zwar droht das Betriebsverfassungsgesetz dafür Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe an. Aber es gibt kaum Ermittler und Gerichte, die sich mit dem Thema auskennen, weshalb es so gut wie nie zu Strafverfahren kommt. Das Thema wird jetzt nicht nur wegen der anstehenden Regierungsbildung aktuell, sondern weil im Frühjahr bundesweit die Betriebsratswahlen anstehen.

Insgesamt sehen die Gewerkschaften einem Jamaika-Bündnis eher skeptisch entgegen. "Wir müssen uns auf eine Konstellation einstellen, die nichts einfacher machen wird", sagte IG-BCE-Chef Vassiliadis. Sein Vorstandskollege Ralf Sikorski sagte, das Bundesarbeitsministerium werde von einem "Ministerium der Arbeitsgestaltung nun zu einem Ministerium der Arbeitsverwaltung". Was die FDP betrifft, befürchten die Funktionäre eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. In Schleswig-Holstein gab es bisher einen Landesmindestlohn, der oberhalb des allgemeinen Mindestlohns lag. An ihn mussten sich Firmen halten, die Aufträge vom Land haben wollten. Die Jamaika-Koalition in Kiel lässt ihn nun auslaufen. "Ich habe erhebliche Zweifel, ob die vor uns liegende Reise nach Jamaika eine gute Reise wird", sagte Hoffmann.

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