Gewerkschaft der Polizei:"Wir sind keine halbmilitärische Truppe"

Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei, wehrt sich gegen die Anforderung, mehr Polizisten nach Afghanistan zu schicken.

Th. Denkler

sueddeutsche.de: Herr Freiberg, es fehlen in Afghanistan an allen Ecken und Enden auch deutsche Polizeiausbilder. Wollen oder können deutsche Polizisten nicht stärker präsent sein?

Gewerkschaft der Polizei: Ein deutscher Polizeiausbilder bildet Kadetten in Masar-i-Sharif in Selbstverteidigung aus. Für Konrad Freiberg ist die Schmerzgrenze erreicht, wenn die Bundesregierung noch weitere Beamte nach Afghanistan schicken will.

Ein deutscher Polizeiausbilder bildet Kadetten in Masar-i-Sharif in Selbstverteidigung aus. Für Konrad Freiberg ist die Schmerzgrenze erreicht, wenn die Bundesregierung noch weitere Beamte nach Afghanistan schicken will.

(Foto: Foto: ddp)

Konrad Freiberg: Ich sagen Ihnen mal gleich das Hauptmissverständnis: Wir sind eine zivile Polizei. Wir sind keine halbmilitärische Truppe, die mit Handgranaten und Sprengwaffen umzugehen weiß. Das ist nicht unsere Welt und soll es auch nicht werden. Wir können Polizisten nur nach deutschen Standards ausbilden.

sueddeutsche.de: Dann sind die Fähigkeiten deutscher Polizisten in Afghanistan womöglich fehl am Platz?

Freiberg: Afghanische Polizisten müssen auch militärisch ausgebildet werden. Das ist dort zwingend notwendig. Aber das kann nicht unsere Aufgabe sein. Die Amerikaner haben deshalb private Sicherheitsdienste mit der Polizeiausbildung beauftragt, die den militärischen Teil gleich mit unterrichten können. Wir helfen im zivilen Bereich der Polizeiausbildung grundsätzlich gerne. Aber, das ist Punkt zwei, nur wenn die Kollegen vor Ort auch sicher leben können.

sueddeutsche.de: Alles in allem sind derzeit 140 deutsche Polizisten in Afghanistan. Ist das nicht ein bisschen wenig gemessen am Kontingent von 4500 deutschen Soldaten.

Freiberg: Polizisten sind kein Ersatz für Militär. Wir können und wollen nicht das politische Entlastungsargument sein, um die Militärpräsenz in Afghanistan zu rechtfertigen. Und noch eines: Es ist Aufgabe der Bundeswehr, deutsche militärische Interessen im Ausland zu schützen. Das ist nicht Aufgabe der Polizei. Wir sind für die innere Sicherheit zuständig.

sueddeutsche.de: Betrachten Sie es doch als Freundschaftsdienst an die Afghanen.

Freiberg: Ja, aber das darf nicht dazu führen, dass wir unsere Aufgaben im eigenen Land vernachlässigen. Die Innenminister von Bund und Ländern haben in den vergangenen Jahren gut 10.000 Stellen gestrichen. Gleichzeitig haben wir immer mehr Aufgaben bekommen. Wir haben auch keine spezielle Einsatztruppe, die wir für solche Fälle ins Ausland schicken könnten. Jeder Kollege, der ins Ausland geht, fehlt in seiner Dienststelle in Deutschland.

"Die Bundespolizei kann das nicht leisten"

sueddeutsche.de: FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger will verstärkt Bundespolizisten nach Afghanistan schicken, wenn die Länder die Anforderungen nicht erfüllen können. Wäre das eine Lösung?

Freiberg: Das kann die Bundespolizei nicht leisten. Es wäre sicher einfacher für den Bund, weil er nicht auf die Länder angewiesen wäre. Aber bei der Bundespolizei sind derzeit 1800 Stellen unbesetzt. Dennoch muss sie ihre Aufgaben irgendwie bewältigen: Grenzsicherung, Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Großdemonstrationen und Fußballspiele sichern.

sueddeutsche.de: Die Polizisten können nicht gezwungen werden, nach Afghanistan zu gehen. Noch gibt es ausreichend Freiwillige, die sich von der Aufgabe und dem Geld locken lassen. Wird das so bleiben?

Freiberg: Nicht, wenn sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert. Dann wird sich das ganz schnell drehen. Es gibt jetzt schon Gegenden, wo es lebensgefährlich wäre, als deutscher Polizist herumzuspazieren. Und wenn die Militärpräsenz noch erhöht wird, dann wird sich die Lage sicher noch weiter zuspitzen.

sueddeutsche.de: Heißt das, dass Deutschland weitere Polizisten für Afghanistan nicht entbehren kann?

Freiberg: Wenn es um ein oder zwei Dutzend geht, ist das noch möglich. Aber es wird ja um mehrere hundert Beamte gehen. Die müssen ausgewählt und ausgebildet werden. Es ist ja auch nicht jeder Freiwillige geeignet. Die müssen ausgebildet werden, gut Englisch sprechen, ein wenig vielleicht auch die Afghanen verstehen. Das ist definitiv nicht zu leisten. Vor allem nicht kurzfristig. Ich warne deshalb: Die Anforderungen noch weiter hochzuschrauben, könnte blamabel werden für die Bundesregierung.

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