Gewaltsame Proteste in muslimischen Ländern:USA ziehen Diplomaten aus Tunesien und Sudan ab

Die Ausschreitungen nach dem anti-islamischen Schmähfilm alarmieren die Vereinigten Staaten: Washington zieht fast sein gesamtes diplomatisches Personal aus den Vertretungen in Tunesien und Sudan ab. Das Weiße Haus rechnet offenbar damit, dass die gewaltsamen Proteste zu einer "anhaltenden Krise mit unvorhersehbaren Konsequenzen" führen könnten.

Nach gewaltsamen Angriffen auf ihre Vertretungen in Tunesien und in Sudan ziehen die USA bis auf eine Notbesetzung ihr Personal aus den dortigen Botschaften ab. Zugleich warnte das US-Außenministerium am Samstag vor "Reisen nach Tunesien zum jetzigen Zeitpunkt" und der "anhaltend kritischen" Lage in Sudan.

Demonstrators hold sit-in outside US embassy in Tunisia

Seit Tagen demonstrieren in Tunesien (im Bild vor der US-Botschaft in Tunis) und anderen muslimischen Ländern gegen die USA. Die Regierung in Washington befürchtet weitere Proteste.

(Foto: dpa)

Auch die Familienangehörigen der Regierungsbeamten sollen die Länder verlassen. Einem Zeitungsbericht zufolge rechnet Präsident Barack Obama nicht mit einer raschen Beruhigung der Lage. Das Weiße Haus gehe vielmehr davon aus, dass die gewaltsamen Proteste zu einer "anhaltenden Krise mit unvorhersehbaren diplomatischen und politischen Konsequenzen" führen könnten.

Aus Wut über den in den USA produzierten Film, in dem der Prophet Mohammed verunglimpft wird, hatten gewalttätige Demonstranten in vielen muslimischen Ländern seit vergangenem Dienstag US-Botschaften und Vertretungen anderer westlicher Länder angegriffen. Im libyschen Bengasi waren der US-Botschafter und drei weitere Amerikaner getötet worden. Am Freitag war die deutsche Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum angegriffen und zum Teil in Brand gesteckt worden.

"Dass unsere Botschaft trotz vorheriger Aufforderung nicht ausreichend geschützt wurde, können wir nicht akzeptieren", sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle der Welt am Sonntag. "Ich erwarte vom Sudan, dass er die Integrität unserer Botschaft und die Sicherheit unserer Landsleute in vollem Umfang garantiert." Für diesen Sonntag ist dem Bericht zufolge eine weitere Demonstration geplant, die sich gegen Deutschland richten soll.

Botschafter bat um Schutz

Nach einem Bericht der Bild am Sonntag war der deutsche Botschafter in Khartum, Rolf Welberts, vor den bevorstehenden Krawallen gewarnt worden. Am Freitagmorgen habe er die sudanesische Regierung um Schutz gebeten. Wenige Stunden später, gegen 13 Uhr deutscher Zeit, stürmten etwa 5000 wütende Demonstranten das Botschaftsgebäude. Alle 22 Mitarbeiter, unter ihnen sieben Deutsche, hatten den Komplex da bereits vorsichtshalber verlassen, schreibt die Zeitung.

Als Reaktion auf den Angriff zieht die Bundesregierung einen Teil ihrer Mitarbeiter aus Khartum ab. Das Personal in Sudan werde ausgedünnt, teilte das Auswärtige Amt mit. Zudem würden zusätzliche Sicherheitskräfte entsandt. Derzeit sei die Lage zwar gespannt, aber ruhig.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte den Schutz der deutschen Botschaften im arabischen und afrikanischen Raum. "Der Bundespolizei fehlen in diesen Regionen nach heutigem Stand die Möglichkeiten, die diplomatischen Einrichtungen vor Übergriffen bei gewalttätigen Großdemonstrationen zu schützen", sagte GdP-Chef Bernhard Witthaut der Bild am Sonntag. Er forderte das Bundesinnenministerium auf, eine neue Gefahrenanalyse vorzunehmen.

Die Proteste ebben auch an diesem Sonntag nicht ab: In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind Hunderte junge Menschen auf die Straße gegangen. "Tod für Amerika", skandierten die Demonstranten, bei denen es sich nach Polizeiangaben vorwiegend um Studenten handelte. In der Nähe der Universität blockierten sie demnach eine Straße. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit einem Großaufgebot von Beamten im Einsatz. Sie gab die Zahl der Protestierenden mit 1500 an und sprach von einer "friedlichen Kundgebung".

Youtube: Video innerhalb der Richtlinien

Google hat unterdessen eine Bitte des Weißen Hauses abgelehnt, den islamfeindlichen Mohammed-Film von der Internetplattform Youtube zu entfernen. Der Zugang werde lediglich in einzelnen Ländern gesperrt, hieß es. Das Weiße Haus in Washington hatte am Freitag erklärt, es habe Youtube um eine Überprüfung gebeten, ob das Video gegen die Nutzungsbedingungen verstoße. Youtube erklärte daraufhin, das Video bewege sich eindeutig innerhalb der Richtlinien und werde daher nicht entfernt. Die Internetplattform gehört dem Konzern Google.

Der Zugang zu dem Video wurde in Libyen und Ägypten gesperrt. Youtube berief sich dabei auf "die sehr sensible Lage" in diesen beiden Staaten. Später sperrte Youtube den Zugang zu dem Schmähfilm auch in Indien und Indonesien. Die Regierungen dieser Länder hatten darauf hingewiesen, dass das Video gegen Gesetze verstoße.

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