Süddeutsche Zeitung

Gewalt in Syrien:"Stunde der Wahrheit" im Weltsicherheitsrat

"Die Gewalt muss jetzt aufhören, jetzt sofort": Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zeigt sich tief besorgt über die trotz Friedensplan anhaltende Gewalt in Syrien. Laut dem Sonderbeauftragten Kofi Annan soll Damaskus mittlerweile aber versichert haben, die Waffenruhe respektieren zu wollen.

Der Weltsicherheitsrat stellt sich geschlossen hinter die Bemühungen von UN-Sondervermittler Kofi Annan. In einer Erklärung forderte der Rat die syrische Führung zur Einhaltung der Waffenruhevereinbarung auf. "Die Gewalt muss jetzt aufhören, jetzt sofort", sagte US-Botschafterin Susan Rice als derzeitige Präsidentin des Rates. Sämtliche 15 Mitglieder hätten sich "zutiefst besorgt" geäußert. Dem Gremium stehe eine "Stunde der Wahrheit" ins Haus, wenn es sich entscheiden müsse, ob es den Druck auf Präsident Baschar al-Assad erhöhe.

Inzwischen soll sich Syrien nach Angaben von Annan verpflichtet haben, den Friedensplan einzuhalten. "Die Regierung hat mir versichert, den Waffenstillstand zu respektieren", sagte Annan heute in Teheran. Annan gab sich optimistisch: Er gehe davon aus, dass sich die Lage in Syrien am Donnerstagmorgen verbessern werde, sagte er.

Die Regierung in Damaskus habe "weitere Erklärungen" abgegeben, wie sie den Friedensplan umsetzen wolle. "Was sie wollen, ist eine Zusicherung, dass die oppositionellen Kräfte ihre Kämpfe ebenfalls einstellen", sagte er. Er stehe mit ranghohen Vertretern der Führung in Damaskus in Kontakt. Bislang gab es allerdings keine Anzeichen dafür, dass Syrien den Friedensplan Annans einhält.

Zuvor hatte Annan in einem Schreiben an den Weltsicherheitsrat mitgeteilt, Syrien habe "die Gelegenheit zu einem starken politischen Friedenssignal nicht genutzt". Er forderte die Konfliktparteien erneut zur Einstellung der Kämpfe auf. Es sei noch zu früh, um seinen Friedensplan und die darin vorgesehene Waffenruhe für gescheitert zu erklären, sagte er gestern im türkischen Hatay nach Besuchen in Flüchtlingslagern an der Grenze zu Syrien.

Die von Annan vermittelte Vereinbarung sieht eine 48-stündige Frist zur Umsetzung der Waffenruhe vor. Sie begann am Dienstagmorgen. Bis Donnerstagmorgen, 6 Uhr Ortszeit (5 Uhr MESZ), sollen die Waffen endgültig schweigen. Der Friedensplan sieht neben einem Rückzug der Truppen aus den Städten und der Waffenruhe humanitäre Hilfe für die Bevölkerung vor und soll die Voraussetzung für einen Dialog schaffen.

Aktivisten werfen Damaskus Intensivierung der Angriffe vor

Die syrische Regierung geht trotz der vereinbarten Truppenabzugs weiter mit aller Härte gegen die Opposition vor. Aktivisten werfen der Regierung in Damaskus vor, die Angriffe auf die Opposition seit der Zustimmung zu dem Plan vor zwei Wochen noch verstärkt zu haben. 1000 Zivilisten seien seither von Sicherheitskräften getötet worden. Auch am Dienstag gingen die Angriffe den Angaben zufolge weiter. "Artilleriebeschuss ist in der ganzen Provinz Hama zu hören. Auch Homs steht weiter unter Beschuss", sagte der Leiter der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London, Rami Abdel Rahman.

Die Regierung in Damaskus wirft ihrerseits den Rebellen vor, nicht ernsthaft zu einem Waffenstillstand bereit zu sein. "Wir haben bereits den Abzug einiger Militäreinheiten aus einigen syrischen Provinzen begonnen", sagte Außenminister Walid Muallem bei einem Besuch in Moskau.

Russland und China ermahnten das Assad-Regime zur Umsetzung des Abzugsplans. "Wir verlangen von unseren syrischen Kollegen, die übernommenen Verpflichtungen strikt einzuhalten", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow nach einem Gespräch mit Muallem. In einem Telefonat forderte Lawrow Annan auf, mehr Druck auf die Opposition und deren bewaffnete Einheiten ausüben.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle will sich beim Treffen der Außenminister der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G8) an diesem Mittwoch für ein deutliches Signal an die Führung in Damaskus einsetzen. "Ich erwarte eine klare Botschaft der G8 an das Regime in Damaskus, die Gewalt unverzüglich zu stoppen und die Abmachungen des Annan-Friedensplans umgehend einzuhalten." Er setze darauf, dass auch Russland Damaskus deutlich mache, dass ein Ende der Gewalt jetzt erfolgen müsse und das Spielen auf Zeit keine Alternative mehr sei.

Auch US-Außenministerin Hillary Clinton kritisierte Russlands passive Position, die nach Auffassung Clintons maßgeblich zum Machterhalt von Präsident Assad beiträgt. Russlands "Weigerung, sich irgendeiner Art von konstruktivem Handeln anzuschließen, hält Assad an der Macht - gut bewaffnet und fähig, die Forderungen seines eigenen Volkes, der Region und der Welt zu ignorieren", sagte Clinton. Sie kündigte an, beim Außenministertreffen der G8 heute in Washington erneut um die Unterstützung Russlands zu werben. Das Minimalziel sei es, Zugang für humanitäre Hilfe in Syrien durchzusetzen, sagte Clinton.

Unterdessen fordert Türkei eine UN-Resolution zum Schutz der syrischen Bevölkerung. Die Gewalt hätte am Dienstag beendet werden müssen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. "Da dies nicht passiert ist, erwarten wir dringend, dass der Weltsicherheitsrat eine Resolution verabschiedet, die auch die notwendigen Maßnahmen zum Schutz des syrischen Volkes einschließt", sagte der Sprecher.

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