Gewalt in Syrien:Russische Waffen für Assads Truppen

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Syrien hat kräftig aufgerüstet: Laut einem Bericht des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri importierte das Land in den vergangenen fünf Jahren sechs Mal so viele Waffen wie im gleichen Zeitraum davor - vor allem aus Russland. Der einstige Verbündete distanziert sich von der syrischen Regierung, die nun die Hauptstadt Damaskus mit Gewalt überzieht.

Auch ein Jahr nach Beginn des Aufstands in Syrien ist ein Ende der Gewalt nicht in Sicht. Aktivisten berichten von besonders heftigen Gefechten in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Nun gerät Russland, das lange als einer der wenigen verbliebenen Verbündeten von Syriens Präsident Baschar al-Assad galt, erneut in die Kritik. Syrien hat von 2007 bis 2011 fast sechs Mal so viele Waffen importiert wie in den fünf Jahren zuvor. Das teilte das Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) am Montag in seinem Bericht über den weltweiten Waffenhandel mit. 72 Prozent der syrischen Waffen kommen dem Papier zufolge aus Russland.

Syrische Aktivisten haben dieses Foto veröffentlicht: Ihren Angaben zufolge zeigt es Brände nach einem Angriff von Regierungstruppen in der Stadt Homs. Assads Regierung kaufte laut einem Bericht des Friedensforschungsinstituts Sipri in den vergangenen fünf Jahren große Mengen Waffen von Russland. (Foto: AFP)

Wie es in dem Bericht weiter heißt, beliefere Russland die syrische Regierung trotz des amerikanischen und europäischen Embargos weiter mit Waffen. Dazu, wie sich die russisch-syrischen Waffendeals nach Beginn des Aufstands in Syrien entwickelt haben, äußerte sich das Institut nicht detailliert.

Unter anderem versorgte Moskau das Regime in Damaskus von 2007 bis 2011 mit Flugabwehrsystemen und Seezielflugkörpern, die für die Streitkräfte des Landes zwar keinen unmittelbaren Nutzen im Kampf gegen die Rebellen haben. Allerdings hätten sie die Möglichkeiten Syriens erhöht, sich gegen eine militärische Intervention von außen zur Wehr zu setzen, sagte der Sipri-Forscher Pieter Wezeman. Syrien hat noch ausstehende Bestellungen von 25 russischen MiG-29-Kampfflugzeugen. Ende 2011 unterzeichnete es zudem ein Abkommen über die Lieferung von 36 Jak-130-Leichtkampfflugzeugen mit Russland.

Es sei jedoch unklar, wann diese geliefert werden sollten und ob Syrien überhaupt dafür bezahlen könne, sagte Wezeman. "Sollten die Kampfflugzeuge allerdings geliefert werden, würden sie die militärischen Möglichkeiten Syriens zum Angriff auf Positionen der Rebellen erhöhen, wenn sich der Konflikt ähnlich wie jener in Libyen entwickelt." Syrien stieg mit seinem Zuwachs von 580 Prozent vom 68. auf den 33. Platz der größten Waffenimporteure. Neben Russland lieferten auch Weißrussland und Iran Waffen an Syrien.

Unterdessen ist in der russischen Militärbasis Tartus in Syrien ein Schiff der Schwarzmeerflotte mit einer Anti-Terror-Einheit eingelaufen. Die Marineinfanteristen an Bord der "Iman" sollen eine mögliche Flucht russischer Bürger aus dem Konfliktgebiet absichern. Das teilte die Führung der russischen Schwarzmeerflotte in der ukrainischen Stadt Sewastopol auf der Halbinsel Krim nach Angaben der Agentur Interfax mit. Der 1966 in Finnland gebaute Tanker "Iman" werde vom Aufklärungsschiff "Äquator" begleitet, das im Mittelmeer vor Anker gegangen sei.

Explosionen in Damaskus

Nach schweren Anschlägen in Damaskus und Syriens zweitgrößter Stadt Aleppo am Wochenende ist die Gewalt in der Nacht zum Montag erneut eskaliert: In der syrischen Hauptstadt sollen sich Regierungstruppen und Einheiten der oppositionellen Freien Syrischen Armee bekämpft haben. Wie der arabische Sender al-Dschasira meldet, sind im Viertel Al-Mezzeh westlich des Stadtzentrums mindestens fünf Explosionen zu hören gewesen.

Eine Frau hätte dem Sender telefonisch von schweren Schusswechseln berichtet. Außerdem würden Hubschrauber über dem Stadtteil kreisen. "Die Sicherheitspolizei hat verschiedene Seitenstraßen blockiert und die Straßenbeleuchtung wurde ausgeschaltet", sagte die Augenzeugin. Al-Mezzeh wird von einem starken Aufgebot an Sicherheitskräften bewacht. In dem Bezirk befinden sich Botschaften und Gebäudekomplexe der Geheimpolizei.

Ersten Meldungen zufolge sollen bei dem mehrstündigen Gefecht 18 Soldaten der Armee verletzt worden sein. Es habe sich um die schwersten Kämpfe im Zentrum von Damaskus seit Beginn des Volksaufstands vor einem Jahr gehandelt, sagte der Leiter der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman. Al-Mezzeh liegt unterhalb des Präsidentenpalastes am Rande der Innenstadt von Damaskus. Mitte Februar hatte es in dem Viertel große Proteste gegeben. Auch im östlichen Viertel Kabun sollen Schüsse zu hören gewesen sein, sagte Murtada Raschid, ein Sprecher der Oppositionskomitees in Damaskus, der Nachrichtenagentur AFP.

Rotes Kreuz fordert Waffenstillstand

Einen Waffenstillstand von zwei Stunden täglich fordert Jakob Kellenberger, Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK). Zwar könnten Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz oder der Rote Halbmond Tausende Menschen versorgen, doch müsste der Zugang vor allem zu den umkämpften Gebieten verbessert werden.

Der IKRK-Chef appellierte an Russland, seinen Einfluss für einen Waffenstillstand in Syrien geltend zu machen. "Die Lage wird immer schlimmer und erfordert eine schnelle Lösung", sagte Kellenberger bei einem Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow, wo beide über die humanitäre Lage in Syrien beraten. Dieser lehnte internationale Sanktionen gegen Syrien erneut ab. Die Haltung des Westens werde zwar realistischer, sie sei aber immer noch ungenügend, kritisierte er. Die Vetomacht Russland will im Weltsicherheitsrat nur eine Resolution mittragen, die beide Seiten zum Gewaltverzicht aufruft.

Ein Team der Vereinten Nationen im Auftrag des internationalen Syrien-Sondergesandten Kofi Annan ist am Montag zu Gesprächen in Syrien eingetroffen. Annans Sprecher Ahmad Fausi bestätigte die Ankunft der fünfköpfigen Delegation in der syrischen Hauptstadt. Demnach sollen sie Beamte des syrischen Außenministeriums treffen, um über die Vorschläge Annans zur Beilegung des Konflikts zu sprechen. Auch um die Entsendung einer neuen Beobachtermission soll es gehen.

© Süeddeutsche.de/dapd/dpa/AFP/mest - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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