Süddeutsche Zeitung

Gewalt in Syrien:Rotes Kreuz setzt sich für Waffenruhe ein

Seit einem Jahr dauert die Gewalt in Syrien an, seit einem Jahr ist es die Zivilbevölkerung, die am meisten unter den Auseinandersetzungen leidet. Um den Menschen in den schwer umkämpften Regionen überhaupt helfen zu können, will das Rote Kreuz eine kurze Kampfpause durchsetzen. Unterdessen sterben in Homs weiter Menschen.

Das Rote Kreuz setzt sich für einen Waffenstillstand zwischen den syrischen Behörden und der Opposition ein. Ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Damaskus sagte dem arabischen Nachrichtensender al-Dschasira, die Hilfsorganisation sondiere mehrere Möglichkeiten, um gemeinsam mit dem Syrisch-Arabischen Roten Halbmond dringend benötigte humanitäre Hilfe leisten zu können. Es gehe dabei auch um Möglichkeiten, wie die Kämpfe in den am schwersten betroffenen Gebieten beendet werden könnten.

In Diplomatenkreisen hieß es, das IKRK strebe eine zweistündige Kampfpause unter anderem in Homs an. Es gehe nicht um eine politische Lösung des Konflikts, sondern um schnellen Zugang zu den Menschen in Not in den umkämpften Gebieten.

Weitere Soldaten marschieren in Damaskus auf

Landesweit wurden am Montag nach Angaben von Oppositionellen 33 Regimegegner von den Sicherheitskräften getötet. Aufgrund der Behinderung der Arbeit von Journalisten in Syrien lassen sich derartige Angaben meist nur indirekt überprüfen. Zahlreiche Festnahmen wurden auch aus der Provinz Daraa gemeldet. Am Dienstag hat die syrische Armee das seit Wochen belagerte Viertel Baba Amro in der Stadt Homs erneut mit Granaten beschossen. Das meldeten Aktivisten, die Live-Bilder von dem Beschuss an arabische TV-Sender schickten. Ihren Angaben zufolge starben 14 Menschen, darunter zwei Kinder. Dutzende von Menschen seien verletzt worden, hieß es. Baba Amro gilt als Hochburg der Protestbewegung, die für den Sturz von Präsident Baschar al-Assad kämpft.

Unterdessen haben die Truppen des syrischen Regimes auch ihre Präsenz in den Straßen von Damaskus verstärkt, um eine Ausweitung des Aufstandes auf die Hauptstadt zu verhindern. Nach Angaben von Aktivisten nahmen Angehörige der Sicherheitskräfte am Montag in einer Handelsschule im Stadtteil Baramke mehrere Schüler fest. Ein Regimegegner in Damaskus sagte der Nachrichtenagentur dpa am Telefon, vor Regierungsgebäuden seien zahlreiche Soldaten postiert worden. In den Vierteln Messe und Kafr Susa seien Straßensperren errichtet worden. Die Hauptstadt war in den ersten Monaten der Proteste gegen Präsident Baschar al-Assad relativ ruhig - das ändert sich jetzt offenbar.

Immer neue Bevölkerungsteile lehnen sich gegen den Machthaber auf. Via Internet wurde eine Botschaft von mehreren islamischen Geistlichen veröffentlicht, die sich aus Protest gegen die Unterdrückung der Opposition vom syrischen Ministerium für islamische Stiftungen lossagten. Die Geistlichen bekundeten ihre Unterstützung für die Deserteure der sogenannten Freien Syrischen Armee.

Ein Sprecher der Deserteure im türkischen Grenzgebiet begrüßte am Montag den Vorschlag von zwei US-Senatoren, den Kampf der Opposition mit Waffenlieferungen über Drittländer zu unterstützen. "Hoffentlich wird dies umgesetzt, seit elf Monaten hilft uns niemand", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Bislang hätten sich mehr als 40.000 Soldaten und Offiziere der Freien Syrischen Armee angeschlossen.

Syrische Medienmitarbeiter gründen unabhängige Vereinigung

Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, Deserteure hätten in der Provinz Idlib am Montag einen Truppentransporter angegriffen und drei Soldaten getötet. Syrische Medienmitarbeiter gründeten unterdessen aus Protest gegen die Berichterstattung der Staatsmedien und die Untätigkeit der staatlichen Journalistenunion eine eigene Vereinigung. Die Vereinigung der syrischen Journalisten (SJA) verstehe sich als Alternative zur Syrischen Journalistenunion, sagte das in Köln ansässige SJA-Mitglied Ahmad Hissou.

In der SJA-Gründungserklärung heißt es: "Die offizielle Journalistenunion ist eine bürokratische Organisation, deren Ziel es ist, die Medienschaffenden zu gängeln und dem herrschenden Regime zu dienen." Die Union habe sich nie um das Schicksal von Journalisten gekümmert, die wegen ihrer unabhängigen Berichterstattung beschimpft, gefoltert oder festgenommen wurden. Zu den 107 Unterzeichnern der Erklärung gehören syrische Journalisten im In- und Ausland.

Russland will UN-Sondergesandten

Russland fordert angesichts der andauernden Gewalt in Syrien einen UN-Sondergesandten für das Land. Es sei dringend humanitäre Hilfe für Syrien notwendig, erklärte der Sprecher des russischen Außenministeriums, Alexander Lukaschewitsch, in Moskau. Ein Sondergesandter solle mit der Führung in Damaskus und allen Beteiligten die Sicherheit der Transporte gewährleisten. Russland sei zur Zusammenarbeit bereit.

An der für den Freitag geplanten erstmaligen Konferenz der "Gruppe der Freunde Syriens" will Russland nicht teilnehmen, da zwar die Opposition, nicht aber Regierungsvertreter Syriens eingeladen seien. Zu dem Treffen werden unter anderem Vertreter der Arabischen Liga, der EU, der USA und Chinas erwartet. Gesucht wird nach einer politischen Lösung des blutigen Konflikts in Syrien mit laut Aktivisten bislang mehr als 6000 Toten. Die Gruppe war gegründet worden, nachdem Russland und China im UN-Sicherheitsrat Anfang Februar zum zweiten Mal eine Resolution zur Verurteilung der Gewalt in Syrien blockiert hatten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1289353
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
dpa/dapd/feko/grc
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.