Gewalt in Syrien:Nato schreckt vor Angriff zurück

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108 Menschen wurden brutal ermordet, von "Sammelhinrichtungen" sprachen die Vereinten Nationen. Doch die Nato schreckt auch nach dem Massaker von Haula vor einer Intervention in Syrien zurück. Die Bündnispartner fürchten die "unübersichtliche Lage" im Land - doch Diplomaten sehen die Gründe im Inneren der Organisation.

Reymer Klüver und Martin Winter

Auch nach dem Massaker von Haula mit 108 Toten gibt es in der Nato keine Neigung, in Syrien einzugreifen. Zum einen sind die vom Generalsekretär der Allianz, Anders Fogh Rasmussen, genannten Bedingungen für eine Intervention kaum zu erfüllen. Weder Russland noch China werden im Sicherheitsrat eine Resolution passieren lassen, die - wie im Falle Libyens - eine Militäraktion möglich macht. Zum anderen wird die arabische Liga, die sich bereits strikt gegen ein Eingreifen ausgesprochen hat, kaum ihren Segen geben.

Aber selbst wenn sich diese Voraussetzungen wider Erwarten erfüllen ließen, wären die Bündnispartner kaum zum Eingreifen bereit, wie es im Hauptquartier der Nato heißt. Sie schreckt vor allem ab, dass es in Syrien anders als im Fall Libyen nicht damit getan wäre, einen Krieg aus der Luft zu führen, sondern dass sie Bodentruppen schicken müssten. In Syrien gebe es keine klaren Fronten, es werde in den Städten gekämpft und man wisse angesichts der "unübersichtlichen Lage" unter den Aufständischen auch nicht, auf wessen Seite man eingreifen soll.

Selbst Frankreich, das die treibende Kraft im Libyen-Krieg war, mahnt neuerdings zur Zurückhaltung. "Die syrische Armee ist schlagkräftig. Kein Staat ist bereit, eine Bodenoffensive zum jetzigen Zeitpunkt zu erwägen", sagte Außenminister Laurent Fabius der Zeitung Le Monde. Das Risiko, dass sich der Konflikt dann auf die ganze Region ausweite, sei zu groß. Bereits am Rande des Nato-Gipfels in Chicago hatte Fabius gesagt, dass man sich nur dann in einen Einsatz begeben sollte, wenn man wisse, "wie man den Frieden gewinnen kann".

Türkischer Außenminister erwähnt Syrien nicht

Das aber, heißt es in der Nato, weiß im Falle Syriens niemand. Selbst die Türkei, die von der Flucht aus Syrien direkt betroffen ist, erwägt offenbar keine militärischen Optionen. Beim Abendessen der Außenminister erwähnte der türkische Amtschef das Thema nicht von sich aus und beim Treffen der Staats- und Regierungschefs spielte es überhaupt keine Rolle. Die mangelnde Bereitschaft, sich in Syrien militärisch zu engagieren, hat nach Auskunft von Diplomaten aber noch einen anderen Grund: Wegen der wirtschaftlichen Lage und wegen der erheblichen Ausgaben für den Libyen-Krieg sind die Kassen des Militärs leer.

Auch die amerikanische Regierung setzt weiter auf diplomatischen Druck auf das syrische Regime. Diskussionen über militärische Muskelspiele erhielten indes am Wochenende Auftrieb. US-Stabschef Martin Dempsey hatte in mehreren Fernsehinterviews das Massaker in Haula als "einfach schrecklich, wirklich grässlich" bezeichnet und bestätigt, dass es Eventualplanungen für eine Militärintervention gebe. "Es gibt immer eine militärische Option", sagte er, "und sie sollte bedacht werden." Der oberste US-General betonte aber, dass "diplomatischer Druck allen Diskussionen über militärische Optionen vorangehen sollte". Er schloss indes nicht aus, dass es "wegen der Gräueltaten zu dem Punkt mit Syrien kommen" könne.

Äußerungen von US-General nicht mit dem Weißen Haus abgestimmt

Ein Sprecher des amerikanischen Präsidenten wies darauf hin, dass Dempseys Äußerungen zu Syrien nicht mit dem Weißen Haus koordiniert gewesen seien. In den vergangenen Tagen war US-Präsident Barack Obama vom politischen Gegner scharf kritisiert worden. Der führende Republikaner im Verteidigungsausschuss des Senats, John McCain, nannte Obamas abwartende Haltung zu den Vorgängen in Syrien "eine schwächliche Außenpolitik, die jeden amerikanischen Führungsanspruch aufgibt".

Berichten zufolge prüft die Regierung in Washington zurzeit, welche Gruppierungen der syrischen Opposition durch andere arabische Staaten mit Waffen ausgestattet werden könnten. Das sei nicht genug, sagte McCain. Der Machtapparat von Baschar al-Assad sei "ein brutales Regime von unglaublichen Dimensionen". Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney ließ eine Erklärung veröffentlichen, in der er die Bewaffnung der syrischen Opposition forderte. Obama könne "die Aufforderungen von Spitzenvertretern beider Parteien im Kongress nicht länger ignorieren" und müsse "entschiedenere Schritte" einleiten. Das bisherige Vorgehen der US-Regierung habe Assad nur die Möglichkeit gegeben, weiter gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen.

© SZ vom 30.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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