Gewalt in Nahost:Islamischer Dschihad und Israel führen Stellvertreterkrieg

Auf Raketen folgen Luftschläge - und umgekehrt: Im Gaza-Streifen proben Israel und der Islamische Dschihad für den Fall eines Angriffs der Regierung Netanjahu auf Iran. Die von Teheran unterstützten Extremisten wollen mit ihren Attacken Stärke demonstrieren. Israel will zeigen, dass es keine Angst vor einem Kampf an mehreren Fronten hat - auch wenn die Gotteskrieger wesentlich aggressiver zu Werke gehen als Hamas und Fatah.

Peter Münch

In Israels Süden wird weiter gekämpft, es wird geschossen und gestorben. Jede Rakete aus dem Gaza-Streifen provoziert einen neuen Luftangriff der israelischen Armee, jeder Luftangriff wird mit Raketen beantwortet.

Gewalt in Nahost: Israelische Soldaten beobachten den Start einer Rakete ihres Abwehrsystems Iron Dome.

Israelische Soldaten beobachten den Start einer Rakete ihres Abwehrsystems Iron Dome.

(Foto: AFP)

Doch es ist nicht die im Gaza-Streifen herrschende Hamas, die diese neue Runde der Konfrontation bestimmt. Dieser Schlagabtausch mit bislang 23 Toten und Dutzenden Verletzten ist zur Kraftprobe geworden zwischen Israel und einem Feind, der immer stärker in den Vordergrund drängt: dem Islamischen Dschihad.

Für Israel sind die heiligen Krieger nichts anderes als der verlängerte Arm Irans in den Palästinenser-Gebieten. Die derzeitigen Kämpfe werden deshalb als eine Art Stellvertreterkrieg geführt - mit aller Härte und blutigen Konsequenz.

Hier geht es um Iran", machte Premierminister Benjamin Netanjahu klar, "ohne Iran hätten diese Extremisten keine Waffen, keine Ausbildung und keine logistische Unterstützung." In die gleiche Richtung wies ein Sprecher der Streitkräfte, der das Regime in Teheran beschuldigte, seine palästinensischen Protegés zur Fortsetzung des Raketenbeschusses zu ermuntern. Zudem habe Iran dem Islamischen Dschihad jene Grad-Raketen geliefert, die nun Israels Süden im Umkreis von bis zu 40 Kilometer vom Gaza-Streifen aus bedrohen. Dutzende dieser Raketen wurden in den vergangenen Tagen auf die Städte Aschkelon, Aschdod und Beerschewa abgefeuert - und zumeist vom israelischen Raketenabwehrsystem Iron Dome abgefangen.

Befürchtet wird jedoch, dass im Arsenal der Gruppe auch noch Raketen mit einer Reichweite von bis zu 70 Kilometer lagern, die den Großraum Tel Aviv erreichen könnten. Deren Einsatz jedoch wäre fast selbstmörderisch, weil Israel dann wohl nichts mehr von einer großangelegten Militäroperation abhalten könnte.

Einziger Daseinszweck ist der Kampf gegen Israel

Beide Seiten scheinen die derzeitige Konfrontation als einen Test zu verstehen - für den Ernstfall eines israelischen Angriffs auf die iranischen Atomanlagen. Der Islamische Dschihad will demonstrieren, dass Israel dann mit einem Beschuss von mehreren Fronten aus zu rechnen habe. Die israelische Armee will im Gegenzug zeigen, dass sie dies nicht fürchtet und für alle Fälle gerüstet ist. Diese Demonstration der Stärke könne "noch einige Zeit andauern", sagte Regierungschef Netanjahu.

Im Vergleich zur Hamas ist der Islamische Dschihad ein für Israel noch schwerer auszurechnender und zu treffender Gegner. Es ist eine in verschiedene Zellen aufgespaltene Organisation, die nach israelischen Schätzungen mittlerweile über einige tausend Kämpfer verfügt. Noch vor fünf Jahren war von lediglich 400 ausgegangen worden. Wie die Hamas ist sie in den achtziger Jahren aus der sunnitischen Muslimbruderschaft hervorgegangen, ließ sich jedoch schnell von den Ideen der schiitischen Revolution in Iran inspirieren. Seit langer Zeit schon besteht also die feste Bindung zum Regime in Teheran.

Anders als die Hamas ist der Islamische Dschihad keine Massenorganisation. Er betreibt keine Sozialprojekte und hält sich aus der Politik fern. Einziger Daseinszweck ist der Kampf gegen Israel, mit allen Mitteln. Zu Zeiten der zweiten Intifada war die Gruppierung für die blutigsten Selbstmord-Attentate verantwortlich, und auch noch danach schickte sie immer wieder Attentäter ins Feindesland. Bisweilen gab es Kooperationen mit anderen bewaffneten Gruppen, doch dahinter herrscht die harte Realität der Rivalität. Innerpalästinensisch geht es darum, sich als die wahre kämpfende Alternative zu Fatah und Hamas zu präsentieren. Nach außen ist es wichtig, die Verbindung zu Iran zu pflegen.

Auf beiden Feldern hat die Organisation nun Punkte gesammelt. Schließlich hat die Hamas in Teheran dramatisch an Ansehen verloren, weil die Exilführung sich aus Damaskus zurückgezogen hat, während der Dschihad-Führer Ramadan Abdullah Schallah weiter an der Seite des bedrängten Präsidenten und iranischen Verbündeten Baschar al-Assad steht. Mit dem derzeitigen Raketen-Hagel auf Israel wird zudem das Profil als Herausforderer Israels geschärft.

Am Montag demonstrierte die Gruppe erneut ihre entschlossene Eigenständigkeit. Während sich die Hamas mit ägyptischer Hilfe um die Vermittlung einer Waffenruhe bemüht, trugen in Gaza-Stadt maskierte und schwer bewaffnete Kämpfer ihre Botschaft vor. Man werde den Kampf trotz der verlustreichen israelischen Angriffe fortsetzen und es werde keine von Israel diktierte Feuerpause geben, erklärte ein Sprecher. "Wir akzeptieren eine Waffenruhe nur unter unseren eigenen Bedingungen."

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