Süddeutsche Zeitung

Gewalt in Ägypten:Präsident dringend gesucht

"Dies ist ein revolutionärer Appell": Angesichts des Blutvergießens in Ägypten drängen die Berater des Militärrats und die Muslimbrüder darauf, die Präsidentenwahl vorzuziehen.

Sonja Zekri, Kairo

Während sich die Konfrontation zwischen Polizei und Protestierenden in Kairo am Sonntag fortsetzte, versuchte ein Gremium um den regierenden Militärrat, zur Entspannung der Lage beizutragen. Die zivile Beratergruppe, die von den Generälen eingesetzt worden war, um die Kommunikation mit der Bevölkerung zu verbessern, drängte darauf, die Präsidentenwahl vorzuziehen. Nach den Plänen der Armee soll die Registrierung der Kandidaten erst im April beginnen, gewählt würde im Juni.

Die Berater sprachen sich dafür aus, dass die Kandidaten sich bereits vom 23. Februar an anmelden können. Angesichts des Blutvergießens könne der Rat nicht schweigen, sagte Ratsmitglied Mona Makram Ebeid: "Dies ist ein revolutionärer Appell." Sollte der Militärrat nicht reagieren, würden die Berater ihre Tätigkeit unterbrechen. Auch die Muslimbrüder, die den Zeitplan der Armee bislang gestützt hatten, verlangten nun, die Wahl vorzuziehen. Sie haben im Parlament die Mehrheit.

Freitagnacht gab es sieben Tote in Suez. Sie sollen bei Krawallen von der Polizei getötet worden sein. Dort schossen Sicherheitskräfte auf tausende Demonstranten, die sich vor dem Polizeihauptquartier versammelt hatten. Fünf Menschen starben am Freitag bei Protesten vor dem Innenministerium in Kairo, wie am Samstag bekannt wurde. Am Samstagabend kam es zu Kämpfen zwischen Polizei und Protestierenden in Kairo. Die Polizei schoss mit Tränengas, Schrot und Gummigeschossen, die Demonstrierenden brachen Asphalt in Stücke. In der Nacht zum Sonntag geriet ein Gebäude der Steuerbehörde in Brand.

Noch am Morgen lag eine Rauchwolke über dem Tahrir-Platz, wo vor einem Jahr die Proteste gegen Präsident Hosni Mubarak begonnen hatten. Am Sonntagmorgen kehrte im Stadtzentrum Kairos zunächst wieder Ruhe ein. Die Proteste waren ausgebrochen, nachdem am Mittwochabend bei Krawallen nach einem Fußballspiel in Port Said mehr als 70 Menschen umgekommen waren.

Wegen angeblich illegaler Finanzierung von Stiftungen will Ägypten 43 Menschen, darunter Ausländer, vor Gericht stellen. Sie dürfen nicht ausreisen. Unter den Angeklagten sind neben zwei Deutschen 19 US-Amerikaner, fünf Serben und drei Bürger arabischer Staaten. In der Hauptstadt waren Ende Dezember die Räume von 17 Organisationen durchsucht worden, darunter die Konrad-Adenauer-Stiftung. Der Verlauf lautete, die Büros würden illegal aus dem Ausland finanziert. US-Bürger waren nach Verhängung des Ausreiseverbots in ihre Botschaft in Kairo geflohen. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte am Samstag, eine Beilegung des Streits um die US-Organisationen sei nicht absehbar.

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SZ vom 06.02.2012/beu
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