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Gewalt in Ägypten:Mobilisierungsprobleme bei den Muslimbrüdern

Die Muslimbrüder hatten zu einem "Freitag der Märtyrer" aufgerufen. Doch weil etliche ihrer Anhänger verhaftet sind, fallen die Kundgebungen viel kleiner aus als erwartet. Gewalt gibt es trotzdem: In der ägyptischen Stadt Tanta haben wütende Demonstranten einen Protestzug der Islamisten attackiert.

Die Entwicklungen im Newsblog.

Hosni Mubarak sitzt nicht mehr im Gefängnis und macht damit die Lage in Ägypten noch komplizierter: Am Freitag sind Gegner des ehemaligen Machthabers auf die Straße gegangen, um gegen dessen Haftentlassung zu demonstrieren. Gleichzeitig stehen sich Muslimbrüder und die neue ägyptische Führung weiter unversöhnlich gegenüber. Seit der gewaltsamen Räumung der Protestcamps der Islamisten am 14. August sind mehr als 900 Menschen ums Leben gekommen, darunter 100 Sicherheitskräfte.

  • Brutaler Zwischenfall in Tanta: Bei Straßenschlachten zwischen Anhängern und Gegnern des entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi ist in der nordägyptischen Stadt Tanta ein Demonstrant getötet worden. Nach Angaben lokaler Medien wurden 25 weitere Menschen verletzt, als wütende Anwohner einen Demonstrationszug der Muslimbruderschaft attackierten. Auch im Kairoer Stadteil gab es einen ähnlichen Vorfall: Dort attackierten Anwohner im Kairoer Stadtteil Schubra einen Protestmarsch der Muslimbruderschaft mit Steinen und Stöcken.
  • Islamisten rufen "Freitag der Märtyrer" aus: Nach dem Freitagsgebet landesweit Tausende Anhängerder vom Militär entmachteten Islamisten-Regierung auf die Straßegegangen. Doch die Proteste fielen erheblich kleiner aus als erwartet: An einer Unterstützerdemonstration für Mursi in Giseh bei Kairo nahmen zum Beispiel nur einige Dutzend Muslimbrüder teil. Nach der Inhaftierung ihrer Führungsriege haben sie massive Mobilisierungsprobleme.
  • Muslimbrüder unter Druck: Die ägyptische Führung setzt ihre Kampagne gegen die Muslimbrüder unterdessen fort. In der Nacht zum Freitag wurden südlich von Kairo vier örtliche Führungskader der Islamisten-Vereinigung festgenommen. Nahezu die gesamte Führungsriege der Muslimbrüder - neben Mursi selbst auch der gestlichge Führer Mohammed Badie - befindet sich inzwischen in Haft. "Wir erhalten keine Weisungen mehr und wissen nicht mehr, was wir tun sollen", sagte ein Mitglied der Muslimbrüder aus dem Nil-Delta der Nachrichtenagentur AFP.
  • Vereint gegen Mubarak: Es war eine Mischung aus sehr unterschiedlichen Gruppen, die an diesem Freitag auf die Straßen ging. Zu Demonstrationen gegen die Haftentlassung des Ex-Machthabers Hosni Mubarak hatten Menschenrechtsorganisationen, Mitglieder der Jugendbewegung 6. April und Islamisten aufgerufen. Mubarak selbst befindet sich derzeit in einem Kairoer Militärkrankenhaus und steht dort unter Hausarrest - eine Maßnahme, die offenbar den Volkszorn etwas lindern soll.
  • Obama erhöht den Druck auf die Militärführung: In einem Interview mit dem TV-Sender CNN sagte der US-Präsident, dass man eine Neubewertung der ägyptisch-amerikanischen Beziehungen vornehmen müsse. Nach dem Sturz von Mursi habe seine Regierung mit einer Fülle diplomatischer Initiativen versucht, die Regierung zur Aussöhnung zu bewegen. Diese Chance hätten die Verantwortlichen in Kairo nicht genutzt. "Wir müssen uns genau ansehen, was die langfristigen Interessen des ägyptischen Volkes sind, und was die langfristigen Interessen der USA sind", sagte der US-Präsident.

Linktipp: SZ-Korrespondent Tomas Avenarius hat analysiert, welches Signal die Mubarak-Entlassung sendet.

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