Gewalt gegen Polizisten:Schutz für den Freund und Helfer

Die Koalition will Gewalt gegen Polizisten härter bestrafen. Während die Gewerkschaft der Polizei den Vorstoß begrüßt, äußert der Deutsche Anwaltverein Bedenken.

D. Stawski

Wenn man Konrad Freiberg, den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), nach Angriffen auf Polizisten fragt, dann redet er sich beinahe in Rage: "Immer mehr Jugendliche entwickeln einen Hass auf den Staat, und die Polizei steht symbolisch für diesen Staat", sagt Freiberg.

Gewalt gegen Polizisten: "Blinder Hass auf den Staat": Polizisten bei Ausschreitungen nach der Mai-Demo in Berlin.

"Blinder Hass auf den Staat": Polizisten bei Ausschreitungen nach der Mai-Demo in Berlin.

(Foto: Foto: dpa)

Dann wird er lauter: "Das ist eine gefährliche Entwicklung. Wir bekommen die Steine ab für gesellschaftliche Entwicklungen. Das sind Hass-Handlungen, Hass und Wut, blinder Hass. Man muss in Zukunft mit Toten rechnen", sagt Freiberg. Er macht sich wirklich Sorgen. "Es muss etwas geschehen."

Freibergs Hilferufe sind angekommen. Die schwarz-gelbe Koalition will den strafrechtlichen Schutz der Polizeibeamten verbessern, so steht es auch im Koalitionsvertrag. Der neue Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte nun zum ersten Mal, was das bedeuten könnte: Er fordert höhere Strafen für jene, die auf Beamte einprügeln.

Der Saarbrücker Zeitung sagte Bosbach: "Für die Polizei ist die Gewalt im Einsatz inzwischen das größte Problem." Die jetzigen Regelungen im Strafgesetzbuch würden "den Taten nicht mehr gerecht", sagt Bosbach. Und sein Koalitionspartner gibt ihm recht. Der FDP-Rechtsexperte Jörg van Essen sagte der Saarbrücker Zeitung: "Die Polizisten werden immer mehr zum Freiwild. Das ist nicht zu akzeptieren."

Polizeistatistik zeigt Anstieg der Fälle um 30 Prozent

Einer Statistik der GdP zufolge - sie basiert auf Daten der polizeilichen Kriminalstatistik - ist die Zahl der Fälle von Gewalt gegen Polizisten drastisch angestiegen. Im vergangenen Jahr hat man mehr als 28.000 Fälle registriert, zehn Jahre zuvor waren es noch 22.025 Fälle. Das entspricht einem Anstieg von annähernd 30 Prozent. Zwar fielen darunter auch Angriffe gegen Soldaten, Feuerwehrleute und Gerichtsvollzieher, die meisten würden aber die Polizisten betreffen, sagte ein GdP-Sprecher.

Ein besonders heftiger Fall ereignete sich vor zwei Monaten beim Regionalliga-Fußballspiel zwischen dem Halleschen FC und dem 1. FC Magdeburg. Rund 40 vermummte Gewalttäter hatten im Vorfeld der Partie Mülltonnen mit Pflastersteinen und Zaunlatten gefüllt. Sie lockten die Polizei in den Hinterhalt, indem sie eine Auseinandersetzung rivalisierender Fangruppen vortäuschten. 16 Beamte wurden verletzt. "Strategien werden genauestens geplant, um dem Feindbild Polizei zu schaden. Dabei wird mit viel Intelligenz vorgegangen. Diese Personen setzen sich intensiv mit der Polizeitaktik auseinander und schmieden ihre Pläne", sagte der Dresdner Polizeidirektor Uwe Kilz.

Die Strafverschärfung sei eine kleine Maßnahme hin zu mehr Sicherheit, sagt Polizei-Gewerkschaftler Freiberg. "Wir setzen auf Abschreckung." Freiberg will aber noch mehr, er fordert die Einführung eines neuen Paragraphen im Strafgesetzbuch, "der einen solchen Angriff aus dem Nichts auch dann bestraft, wenn der Beamte oder die Beamtin nicht verletzt wird. Damit bekommen wir insbesondere hinterhältige Attacken besser in den Griff", sagt Freiberg.

Anwaltsverein hält Gesetzesänderung für "kontraproduktiv"

Höhere Strafen? Ausweitung des Paragraphen zum Schutz der Vollstreckungsbeamten? "Das ist kontraproduktiv", sagt Werner Leitner, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltverein. Leitner befürchtet sogar Probleme, sollte den Forderungen der Polizeigewerkschaft entsprochen werden. "Der entsprechende Paragraph hat heute schon eine hohe Missbrauchsgefahr."

In Fällen von Widerstand gegen die Polizei "haben die Beamten ja immer die Deutungshoheit". Häufig stehe Aussage gegen Aussage. "Das fordert den Korpsgeist der Polizisten heraus", sagt Leitner. Machen die Polizisten gemeinsame Sache, um so unbequeme Bürger zu bestrafen? Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sei das "klassische Delikt, um Leute zu disziplinieren, gegen die man sonst nichts machen kann". Leitner lehnt eine Gesetzesänderung ab. "Die überlastete Justiz würde dadurch nur noch mehr belastet", sagt er.

Auch die alarmierenden Zahlen, die die Polizeigewerkschaft vorlegt, sollten "vorsichtig" betrachtet werden, sagt Leitner. Bei der polizeilichen Kriminalstatistik handele es sich um angezeigte Fälle, das heiße aber nicht, dass ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. "Nicht alles was für die Polizisten ein Widerstand ist, ist auch wirklich ein Widerstand."

Höhere Strafen als "politisches Zeichen"

Auch der Deutsche Richterbund hält die Gesetzeslage für ausreichend. "Schwere Fälle von Angriffen auf Polizeibeamte sind bereits heute mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht. Regelmäßig sind bei brutalen Angriffen außerdem auch andere Straftatbestände verwirklicht, aus denen der Täter bestraft wird", erklärt der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Christoph Frank. Nur beim Grundtatbestand, wenn es sich also um keine schweren Fälle oder Körperverletzung handele, könne man nachjustieren. Derzeit droht in einem solchen Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. "Eine maßvolle Erhöhung des Strafrahmens ist als politisches Zeichen für den Schutz von Polizeibeamten zu begrüßen", sagte Frank. "Was sich wirklich ändern müsste, ist die Akzeptanz und der Respekt der ganzen Gesellschaft vor Polizeibeamten."

Um mehr über die Gewalt gegen die Polizei zu erfahren, haben die Innenminister der Länder eine Studie beim Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) in Auftrag gegeben. Bundesweit würden etwa 260.000 Polizisten nach ihren Erfahrungen befragt. Nach Aussage des KFN handelt es sich dabei um die weltweit größte Polizeistudie, die es jemals gab. Das Problem dabei ist nur, dass die Ergebnisse erst für Ende März erwartet werden, die Diskussion um schärfere Gesetze allerdings schon in vollem Gange ist. "Die Politik wäre klug, wenn sie auf die Ergebnisse unserer Studie wartet", sagt der Direktor des KFN, Christian Pfeiffer.

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