Ukrainische Getreideexporte:Russland bereit zur Verlängerung des Getreideabkommens

Ukrainische Getreideexporte: Ein von den UN gechartertes Schiff lädt ukrainisches Getreide für den Export nach Äthiopien in der Nähe von Odessa.

Ein von den UN gechartertes Schiff lädt ukrainisches Getreide für den Export nach Äthiopien in der Nähe von Odessa.

(Foto: Oleksander Gimanov/AFP)

Moskau bietet aber nur Verlängerung für zwei Monate an - im Gegenzug soll der Westen Sanktionen aufheben und eine russische Pipeline für Düngemittel-Exporte durch die Ukraine wieder in Betrieb nehmen.

Von Florian Hassel, Belgrad

Russland, die Ukraine, die Türkei und die Vereinten Nationen (UN) stehen vor der Verlängerung eines Abkommens, das der Ukraine trotz der Blockade seiner Häfen im Krieg die Ausfuhr von Getreide erlaubt. Allerdings ist die Dauer der Verlängerung unklar - Moskau möchte das Abkommen statt um vier nur um zwei Monate verlängern. Russland will damit offenbar den Druck erhöhen, um westliche Sanktionen aufzuheben. Außerdem will Moskau Kiew dazu zu bringen, eine für Russland hochprofitable Pipeline für Düngemittel wiederzueröffnen. Kiew verweigert dies bisher.

Die UN-Handelsorganisation Unctad zog sieben Monate nach Inkrafttreten der sogenannten Schwarzmeer-Initiative eine positive Bilanz: Seit August 2022 seien wieder 23 Millionen Tonnen Getreide über drei ukrainische Häfen exportiert worden - Inspektoren unter anderem Russlands und der Türkei kontrollieren jedes Schiff bei Istanbul und stellen so sicher, dass keine Waffen per Schiff in die Ukraine gebracht werden, und dass die Ukraine keine anderen Waren außer Getreide oder Sonnenblumenöl ausführen kann. Der Welternährungsorganisation FAO zufolge sind die Getreidepreise wieder auf den - ohnehin schon hohen - Stand vor dem 24. Februar 2022 gesunken.

Moskauer Entgegenkommen als Wahlhilfe für Tayyip Erdoğan

Das Abkommen läuft jeweils 120 Tage und verlängert sich eigentlich automatisch, wenn keine der Parteien es aufkündigt. Doch zwei russische Vize-Außenminister, Alexander Gruschko und der direkt für die Getreideverhandlungen zuständige Sergej Werschinin, bekräftigten, dass Russland nach Ablauf des Abkommens am 19. März nur einer Verlängerung um zwei Monate zustimme. Vor einer weiteren Verlängerung müssten etwa Beschränkungen für die Ausfuhr von russischen Agrarprodukten und Dünger ebenso aufgehoben werden wie Sanktionen auf die Einfuhr von Ersatzteilen und Landwirtschaftsmaschinen, so Gruschko. Bisher gibt es keinen offiziellen Kommentar der UN zu den Moskauer Forderungen.

Dass Moskau das Getreideabkommen überhaupt weiterlaufen lassen will, führen russische Fachleute auf die nahende Präsidentschafts- und Parlamentswahl in der Türkei zurück. Mit der Verlängerung wolle Moskau einen Gesichtsverlust des als Mitarchitekt des Abkommens auftretenden Erdoğan bis zur Wahl offenbar vermeiden - und sich gleichzeitig die Tür zu einem Politikwechsel im Fall eines Sieges der türkischen Opposition offenhalten, analysierten russische Experten im Moskauer Kommersant.

Russland selbst exportiert auf Rekordniveau

Offiziell begründet Moskau seine Weigerung, das Getreideabkommen für einen längeren Zeitpunkt zu verlängern, mit angeblichen Einschränkungen für den Handel mit russischen Agrarprodukten. Tatsächlich sind diese ebenso wie die meisten Düngerprodukte von Sanktionen der EU, der USA und anderer westlicher Länder ausgenommen. Gleichwohl wird der Handel für Russland teurer, weil Containerfirmen Russland nicht mehr bedienen, Schiffsgesellschaften das Land meiden, Versicherungen höhere Prämien fordern oder manche westliche Unternehmen Angst vor sie selbst treffenden Sanktionen oder auch nur dem Protest der eigenen Belegschaft gegen Geschäfte mit Russland haben, so das Institut für Ernährungspolitikforschung (IFPRI). Unctad-Chefin Rebeca Grynspan bestätigte am 18. November 2022, dass damals russische Schiffe mit 300 000 Tonnen Dünger in europäischen Häfen festhingen.

Gleichwohl ist Russland weit weniger getroffen, als seine Diplomaten glauben machen wollen. Russland, einer der größten Getreidexporteure der Welt, hat 2022 eine Rekord-Getreideernte von 150 Millionen Tonnen eingefahren und auch seine Ausfuhren seit Juli 2022 auf Rekordniveau geschraubt: Allein von Juli bis Dezember 2022 exportierte Russland 25 Millionen Tonnen Weizen, mehr als im gleichen Zeitraum 2021, schätzte der Fachdienst Fastmarkets Anfang 2023. Wichtige Kunden Moskaus wie die Türkei, Iran, Ägypten, Algerien, Brasilien oder Mexiko importierten teils deutlich mehr als zuvor.

Auch beim Düngemittelexport hat Russland nach zunächst scharfen Einbrüchen seine Ausfuhren IFPRI zufolge wieder teils dramatisch gesteigert, etwa nach Indien. Gleichwohl verlangt Moskau, dass die nach seinem Überfall auf die Ukraine geschlossene Düngemittel-Pipeline wieder geöffnet wird, über die russische Firmen Ammoniak-Gas von Togliatti an der Wolga in den ukrainischen Hafen Piwdeny bei Odessa pumpten und von dort per Schiff weiter exportierten. Ukraines Präsident Wolodimir Selenskij aber erklärte bereits im September 2022, er sei dazu nur im Gegenzug zur Freilassung weiterer ukrainischer Kriegsgefangener bereit - was der Kreml ablehnte. Seither gibt es bei diesem Thema bis heute keinen sichtbaren Fortschritt.

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