Gesundheitsreform in den USA:Obamas Salamitaktik

Was früher das Herzstück von Obamas Gesundheitsreform war, ist heute nur noch ein "Scheibchen": Der US-Präsident lernt, dass es nicht mehr die Menschen sind, die er überzeugen muss.

Barbara Vorsamer

"Nur noch ein Scheibchen, nur noch ein Aspekt" ist die Option einer staatlichen Krankenversicherung inzwischen im Gesamtpaket von US-Präsident Barack Obamas Gesundheitsreform. So bezeichnet es der Präsident selbst bei einem Townhall Meeting in Grand Junction, Colorado. Das hatte sich mal ganz anders angehört.

Gesundheitsreform in den USA: US-Präsident Barack Obama versucht, die Bürger von seinem Reformkonzept zu überzeugen.

US-Präsident Barack Obama versucht, die Bürger von seinem Reformkonzept zu überzeugen.

(Foto: Foto: AFP)

Im Wahlkampf gehörte eine staatlich finanzierte Alternative zu den in den USA üblichen privaten Krankenversicherungen zu Obamas zentralen Forderungen. Noch im Juni schrieb der Präsident an die US-Senatoren, dass Amerikaner die Wahlmöglichkeiten zwischen privater und gesetzlicher Versicherung haben sollten. Vor einem Monat verkündete er im Radio: "Jede Gesundheitsreform, die ich unterschreibe, muss eine staatliche Option enthalten." Und noch vergangene Woche hieß es aus dem Weißen Haus: "Es hat sich nichts geändert."

Inzwischen scheint die US-Regierung zurückzurudern. Nicht nur der Präsident selbst versuchte am Wochenende, die Bedeutung der staatlichen Krankenversicherung für die Gesundheitsreform herunterzuspielen.

Der Grund: Immer klarer wurde in den vergangenen Wochen, dass das Vorhaben nicht die erforderliche Stimmenanzahl bekommen wird. Kent Conrad, der demokratische Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Senat, sagte dem Online-Magazin Politico: "Es gibt nicht genug Stimmen im Senat und es hat sie nie gegeben." Werben für ein staatliches System sei vergebliche Mühe.

Da half es auch nichts, dass Barack Obama bei Townhall Meetings gewohnt gekonnt für seine Reform warb. Der Wahlkampf ist vorbei. Es sind nicht mehr die Menschenmengen, die ihm zustimmen müssen, es ist das Parlament.

So versucht das Weiße Haus nun, einen Kompromiss mit dem Kongress zu verhandeln und möglicherweise auf das Herzstück der Reform zu verzichten. Die Regierung könne sich auch ein genossenschaftlich organisiertes Versicherungssystem vorstellen, sagte Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius am Sonntag einem US-Fernsehsender.

Das Genossenschaftsmodell wird unter Abgeordneten schon seit Monaten diskutiert, die Führung der Demokraten und das Weiße Haus haben bislang aber stets einer staatlichen Versicherung den Vorzug gegeben. Für das Genossenschaftsmodell gebe es im Senat aber genügend Stimmen, so Senator Conrad.

Damit würde Obama den oppositionellen Republikanern entgegenkommen. Ihm ist sehr daran gelegen, sein zentrales Reformvorhaben auch mit den Stimmen der Republikaner im Parlament zu verabschieden.

Doch einfach und reibungslos wird das nicht gehen. Die Idee einer staatlichen Krankenversicherung hat in den USA eine hitzige öffentliche Debatte ausgelöst, von der nur die Republikaner profitieren. Während Obama zur Zeit die schlechtesten Umfragewerte seit seiner Amtsübernahme im Januar bekommt, nutzt die Grand Old Party das Thema Gesundheitsreform zur Mobilisierung ihrer Basis.

Die "public option" zu kippen wäre ein Punktsieg für die Republikaner. Obama würde mit dem Kompromiss jedoch die liberalen Kräfte in der Demokratischen Partei verprellen - und diese waren es, die ihn im Wahlkampf am meisten unterstützt haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: