Gesundheitspolitik:Nur im Ernstfall in die Notaufnahme

Mit Halsweh mal eben ins Krankenhaus - das will Gesundheitsminister Spahn künftig unterbinden. Sein Gesetzentwurf sieht eine zentrale Leitstelle vor, die Kranke besser verteilen soll.

Von Kristiana Ludwig und Henrike Roßbach, Berlin

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Notaufnahmen der Krankenhäuser entlasten und die Notfallversorgung neu organisieren. Ende vergangenen Jahres hatte er dazu bereits Eckpunkte vorgestellt, nun liegt ein Gesetzentwurf vor, der an die Länder verschickt wurde. Für Mitte August hat das Ministerium Ländervertreter nach Berlin eingeladen, um das Vorhaben zu besprechen.

Kern der Reform ist es, Patienten konsequenter als bisher dorthin zu schicken, wo ihnen am besten geholfen werden kann: Notfälle in die Notaufnahme, alle anderen zu niedergelassenen Ärzten. Um das zu erreichen, will Spahn in ausgewählten Kliniken neue "integrierte Notfallzentren" einrichten, die rund um die Uhr von Krankenhäusern und Kassenärztlichen Vereinigungen betrieben werden. Außerdem will Spahn die Notfallnummer 112 mit der 116 117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zusammenlegen. Die Anrufer sollen bei einer "Gemeinsamen Notfallleitstelle" landen und dort, wenn es nicht ganz so dringend ist, auch reguläre Arzttermine vermittelt bekommen. Diese Stellen sollen durch die Länder und Kassenärztlichen Vereinigungen geschaffen werden und künftig eine "zentrale Lotsenfunktion" erfüllen.

Heute seien die Wartezeiten für schwer Erkrankte teilweise zu lang, sagte Spahn am Montag in Berlin: "Die Notaufnahmen sind derzeit zu oft zu überlastet." In seinem Gesetzentwurf heißt es, zahlreiche Krankenhäuser beklagten "eine wachsende Inanspruchnahme von Notfallambulanzen auch bei leichteren Erkrankungen und Verletzungen". Das nächstgelegene Krankenhaus werde als "einfachste und schnellste Option" in Anspruch genommen, weil offenbar eine große Unsicherheit bestehe, wohin man sich im Notfall wenden könne und solle.

Die bessere Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung ist schon länger ein gesundheitspolitisches Thema. Auch Spahns Reform dürfte kompliziert werden, weil sie Landesrecht betrifft und das Rettungswesen "sehr heterogen ausgestaltet" ist, wie es im Entwurf heißt. Zudem soll die rettungsdienstliche Versorgung am Notfallort als eigenständige Kassenleistung anerkannt werden - und nicht mehr nur dann abgerechnet werden können, wenn die Patienten danach auch wirklich ins Krankenhaus transportiert werden. Das aber berührt die bisherige Aufteilung der Finanzierungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, weshalb der Minister jetzt eine Änderung des Grundgesetzes prüft.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, begrüßte den Entwurf als eine "längst überfällige Reform". Es müssten allerdings noch Fragen zum notwendigen Personal und zur Finanzierung der Notfallzentren geklärt werden. Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, kritisierte dagegen die von Spahn gewünschte Zusammenarbeit mit den Kassenärzten. "Die Krankenhäuser können diese Zentren alleine betreiben", sagte er. Die grüne Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther forderte eine "Anschubfinanzierung" des Bundes für die neue Notfallversorgung.

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