Gesundheitspolitik:CSU: Pflege-TÜV ist "Totgeburt"

Bayerns Sozialministerin Haderthauer nennt das Prüfsystem für Altenheime irreführend und fordert von Gesundheitsminister Rösler Korrekturen.

G. Bohsem

Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) hat einen sofortigen Stopp des Bewertungssystems für Pflegeheime verlangt. "Ich fordere Gesundheitsminister Philipp Rösler eindringlich auf, dieses Trauerspiel zu beenden", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. "Durch dieses Prüfsystem erleidet die stationäre Pflegebranche in Deutschland derzeit einen Vertrauensschaden, von dem sie sich nur schwer erholen wird." Die Trägerverbände und Pflegekassen hätten bei der Ausgestaltung des Pflege-TÜVs harte Prüfungen verhindert und ein Negativbeispiel für perfekte Lobbyarbeit geleistet.

Gesundheitspolitik: Hält den Pflege-TÜV für ein "Trauerspiel": Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer

Hält den Pflege-TÜV für ein "Trauerspiel": Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer

(Foto: Foto: dpa)

Haderthauer reiht sich damit in eine Reihe von Kritikern ein, die die Kriterien für die Überprüfung der Pflegeheime als irreführend anprangern. Das System wird derzeit auf seine Wirksamkeit getestet.

"Kafkaeske Züge"

An diesem Montag will sich der GKV-Spitzenverband damit beschäftigen. In Deutschland gibt es 10.400 Pflegeheime, in denen 671.000 Menschen betreut werden. Die Heime werden vom Pflege-TÜV nach mehr als 80 Kriterien geprüft, die zu einer Gesamtnote zusammengefasst werden. Diese orientiert sich an den Schulzensuren. Haderthauer eröffnet mit ihrer Kritik zudem einen weiteren Konflikt zwischen ihrer Partei und dem FDP-Minister Rösler. Bislang gibt es zwischen den Koalitionspartnern vor allem wegen der geplanten Gesundheitsreform Streit.

"Der Pflege-TÜV war von Anfang an eine Totgeburt, weil seine Kriterien ungeeignet sind, Qualität zu messen, und die Prüfer sich bei diesem System künstlich dumm stellen müssen", sagte Haderthauer weiter. Die Gesamtnote für die Heime gebe kein objektives Bild wieder, da schlechte Noten durch gute ausgeglichen werden können. "Der Pflege-TÜV trägt kafkaeske Züge." Auch kenne das System keine K.-o.-Kriterien, obwohl bei schweren Pflegemängeln eigentlich jeder erwarte, dass sofort eingeschritten werde, das Heim Auflagen bekomme oder sogar geschlossen werde. "Dies ist beim Pflege-TÜV nicht gewährleistet."

Mängel trotz Note 1,7

Nach Haderthauers Worten hat ein Heim in Bayern vom Pflege-TÜV die Note 1,7 - also gut bis sehr gut - erhalten. Die bayerische Heimaufsicht habe aber etwa einen Monat nach der Kontrolle durch die Prüfer des Pflege-TÜVs viele Mängel festgestellt. "Unter anderem wurden ärztliche Anordnungen zum Teil nicht umgesetzt", sagte die Ministerin.

Die soziale Betreuung der Patienten sei nicht strukturiert, sondern eher zufälliger Natur gewesen. Die Benotung des Pflege-TÜVs spiegele nicht den aktuellen Zustand des Heims wider. "Eine solche Einrichtung kann maximal mit ausreichend bewertet werden", sagte sie.

Rösler müsse dieser Praxis dringend Einhalt gebieten. "Im Interesse der pflegebedürftigen alten Menschen und ihrer Angehörigen muss der Pflege-TÜV sofort kassiert werden", sagte Haderthauer. Die Politik dürfe sich nicht länger zum Spielball der Lobbyisten aus der Pflegewirtschaft machen lassen.

Seit mehr als einem Jahr reagiere das Bundesgesundheitsministerium auf jede Mängelrüge am Pflege-TÜV mit dem Hinweis, dieser werde gerade überprüft. "Eine Totgeburt wird aber auch durch Evaluation nicht lebendig", sagte Haderthauer. Rösler sei an der Entstehung des Prüfsystems nicht beteiligt gewesen. Er müsse deshalb seine Unabhängigkeit unter Beweis stellen und handeln.

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