Süddeutsche Zeitung

Gesundheitskosten:Extra-Geld für die Kassen

Lesezeit: 2 min

Gesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU) will die Finanzen der Krankenkassen im kommenden Jahr um 1,5 Milliarden Euro stärken. Er begründet das unter anderem mit den Kosten für Flüchtlinge. Doch die Kassen vermuten einen viel profaneren Grund.

Von Guido Bohsem , Berlin

Die gesetzlichen Krankenkassen erhalten im kommenden Jahr eine üppige Überweisung aus den Reserven des Gesundheitsfonds. Das Kabinett verabschiedete am Mittwoch einen Gesetzesentwurf, der vor allem regeln soll, wie psychiatrische Leistungen im Krankenhaus abgerechnet werden. Ein wichtiges Thema. Doch nutzt Gesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU) das Vorhaben ganz nebenbei, um die Finanzen der Krankenkassen im kommenden Jahr um insgesamt 1,5 Milliarden Euro zu stärken.

Das Geld soll laut Gesetz aus der Reserve des Gesundheitsfonds genommen werden, die derzeit etwa zehn Milliarden Euro stark ist. Die vorgeschriebene Mindestreserve liege bei 4,3 Milliarden Euro, weshalb es unbedenklich sei, die Summe zu überweisen.

Das Ministerium begründet dies im Gesetz damit, dass die Kassen im kommenden Jahr zusätzliches Geld für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ausgeben müssen. Vor allem aber verweist es darauf, dass 2017 viele der Flüchtlinge als Asylberechtigte anerkannt seien und damit die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Anspruch nehmen könnten, was zu höheren Ausgaben der Kassen führen werde. Es handele sich jedoch nur um eine vorübergehende finanzielle Belastung, weil bei erfolgreicher Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt Mehreinnahmen zu erwarten seien.

Für die Gesundheitskosten der Flüchtlinge, die noch nicht anerkannt sind, stehen die Kommunen ein. Erst wenn das Bundesamt für Migration ihnen den Asylstatus zuerkennt, müssen die Kassen die Kosten ihrer medizinischen Versorgung übernehmen. Für arbeitslose Asylberechtigte geschieht das im Rahmen der Hartz-IV-Regelungen.

Nach vorigen Ausgaben plant das Ministerium dafür nun etwa eine Milliarde Euro an zusätzlichen Ausgaben ein. Im Gesetzesentwurf finden sich jedoch keine konkreten Angaben darüber, wie diese Summe berechnet wurde. So fehlen Angaben über die Zahl der anerkannten Flüchtlinge und eine Einschätzung, wie viel sie die Kassen im einzelnen zusätzlich kosten werden.

Die Kassen vermuten dagegen ein Wahlkampfmanöver: Der Beitrag soll 2017 nicht steigen

Das bestärkt den Verdacht, dass es der Bundesregierung gar nicht um eine konkrete Regelung für die Flüchtlinge geht, sondern sie vielmehr einen Beitragsanstieg im Bundestags-Wahljahr 2017 verhindern möchte. Der GKV-Spitzenverband rechnet nämlich damit, dass die Zusatzbeiträge im kommenden Jahr im Schnitt um weitere 0,3 Prozent auf dann 1,4 Prozent ansteigen werden. Der durchschnittliche Beitragssatz läge dann bei 16 Prozent des Bruttolohns. Die Vorsitzende des Verbandes, Doris Pfeiffer, sagte, es sei der Gesetzgeber gewesen, der durch kostspielige Reformen der vergangenen Jahre dafür gesorgt habe, dass die Zusatzbeiträge trotz guter Einnahmen der Kassen steigen.

Der Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, sagte: "Das sieht doch sehr nach einem Wahlkampfmanöver aus." Die Reserven des Fonds anzuzapfen nehme zwar etwas Druck aus dem Kessel. Jedoch bleibe das Delta zwischen Einnahmen und Ausgaben der Krankenkassen bestehen. Die Begründung, mit dem Geld die Mehrbelastung durch Asylbewerber zu finanzieren, bezeichnete Litsch als "ziemlich schief". Denn zunächst zahlten ohnehin die Kommunen für Flüchtlinge. "Und nach allem, was wir bisher wissen, kostet die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen sogar weniger als die von Durchschnitts-Versicherten."

Der Vorstandschef der Barmer, Christoph Straub, hingegen begrüßte die Maßnahme. Die Zuweisungen des Bundes an die Kassen reichten generell nicht aus, um die Versorgung von Hartz-IV-Empfängern zu gewährleisten. Deswegen sei es richtig, die zusätzlichen Kosten für die Flüchtlinge so aufzufangen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3106339
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.08.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.