Gesundheitskonzept der Union:"Keine Logik, totale Konfusion"

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Trotz eines Kompromisses zur Gesundheitsreform findet die Union keine einheitliche Linie in der Sozial- und Finanzpolitik. Der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, sprach von einem "Meinungsdesaster in der Union".

Peter Fahrenholz und Andreas Hoffmann

(SZ vom 17.6. 2003) - Während sich CDU-Parteichefin Angela Merkel und der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) darauf verständigten, dass die Bürger künftig den Zahnersatz künftig privat absichern sollen, streitet die Union über die künftige Renten- und ein Vorziehen der Steuerreform. Der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer ist dabei mit seinen Vorschlägen weitgehend isoliert.

Die Einigung zur Gesundheitspolitik kam bei einem Gespräch zwischen Merkel und Stoiber zu Stande. Danach sollen die Kassen künftig nicht mehr den Zahnersatz erstatten, sondern die Bürger sollen dafür eine verpflichtende Privatversicherung abschließen, die 7,50 Euro im Monat kostet.

Kinder sollen weiter wie bisher behandelt werden. Außerdem sollen die Bürger bei jeder medizinischen Leistung zehn Prozent zuzahlen.

Die Obergrenze soll bei zwei Prozent des jährlichen Brutto-Einkommens liegen. Wie der CDU-Sozialexperte Andreas Storm der Süddeutschen Zeitung sagte, sollen ein niedriger Mehrwertsteuersatz für Arzneien und ein Bürokratieabbau im Gesundheitswesen zusätzlich Geld sparen helfen.

Insgesamt sollen zwischen 12 und 13 Milliarden Euro eingespart werden. Unklar ist aber, ob dies tatsächlich erreicht wird. Für Zahnersatz geben die Kassen derzeit etwa 3,5 Milliarden Euro im Jahr aus, außerdem sind Zuzahlungen bereits heute auf maximal zwei Prozent des Jahreseinkommens begrenzt.

Unter Zeitdruck

Die Verhandlungen fanden zuletzt unter großem Zeitdruck statt, weil das Parlament am Mittwoch in Berlin erstmals über die rot-grüne Gesundheitsreform debattiert. Dazu wollte die Union ein Alternativ-Konzept formulieren.

Am Wochenende hatte jedoch der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer die Pläne infrage gestellt und von einer "Privatisierungsorgie" gesprochen, die er ablehne.

Seehofer isoliert

Bayerns Staatskanzlei-Chef Erwin Huber versuchte die Auseinandersetzung herunterzuspielen. Von einem heftigen Streit könne keine Rede sein, man habe sich "in sehr, sehr sachlichem Ton" auf eine Linie geeinigt.

In der CSU sorgte die heftige Kritik Seehofers offenbar für große Verärgerung. "Das war ein Alleingang von Seehofer", hieß es in Münchner Regierungskreisen.

Ähnlich scheint er mit anderen Vorschlägen in der CSU isoliert zu sein, wie etwa bei der Einführung einer Bürgerversicherung, in die auch Beamte und Selbstständige einzahlen sollen. "Das ist nicht unsere Position", sagte Huber.

Die Bürgerversicherung sei von keiner Seite in die Verhandlungen über die Gesundheitsreform eingeführt worden. Er kenne kein Gremium der CSU, das positiv über die Bürgerversicherung abgestimmt hätte, sagte er.

Ähnlich überrascht zeigten sich Huber und Glück auch über Seehofers Vorschlag, eine steuerfinanzierte Sockelrente einzuführen.

Unterdessen lehnte die CDU die Pläne Seehofers weitgehend ab. So bezeichnete Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) die geplante Sockelrente als "nicht finanzierbar". Dagegen begrüßte die Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion Seehofers Vorschlag.

Kritisch sieht die CDU auch Seehofers Plan der Bürgerversicherung, die der CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer als "Einzelmeinung" bezeichnete.

Die CDU-Kommission "Soziale Dienste" unter Leitung von Alt-Bundespräsident Roman Herzog "rät ausdrücklich davon ab, den Versichertenkreis um Beamte und Selbstständige auszuweiten", wie aus der Vorlage für die morgige Sitzung hervorgeht, die der SZ vorliegt.

Steuerpolitischer Nebel

Unklar ist auch der Kurs der Union in der Steuerpolitik. Im Streit um ein Vorziehen der Steuerreform forderte Wulff, der auch CDU-Vize-Vorsitzender ist, die Union auf, sich um mehr Einheitlichkeit zu bemühen.

"Wir können diesem Theater, das uns die rot-grüne Bundesregierung aufführt, nicht ein eigenes entgegensetzen", sagte er. Der CSU-Fraktionschef Glück etwa befürwortet ein Vorziehen der Reform, Huber hingegen sprach sich dagegen aus.

Ähnlich stritt die CDU: Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel begrüßte den Plan, während es der Experte der Unionsfraktion, Friedrich Merz, wiederum ablehnte.

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