Gesundheit:Wie man sich bettet

Das Krankenhaus in Lebach wird geschlossen werden. Hier ein Blick auf das Klinikgebäude am Donnerstag (12.3.2020). *** T

Das Krankenhaus Lebach hat mehr als 200 Betten, etwa 40 sind für die Behandlung von Corona-Patienten vorgesehen, vorläufig jedenfalls.

(Foto: Becker&Bredel/imago)

Die vielen Kliniken in Deutschland galten lange als Geldverschwendung, nun erweisen sie sich als Lebensretter. Das Krankenhaus in Lebach im Saarland muss trotzdem bald schließen.

Von Rainer Stadler

Ostern hin oder her, im saarländischen Lebach sind die Menschen gerade schlecht zu sprechen auf die katholische Kirche. Auf einer Internetseite, die von vielen Menschen aus der Umgebung frequentiert wird, kursieren Aufrufe, dass 10 000 Menschen aus der katholischen Kirche austreten sollten, um es dem geldgeilen Verein mal richtig zu zeigen. "Nein zur Schließung des Lebacher Krankenhaus!" heißt die Seite, sie hat 6600 Follower.

Viele mehr Protestmöglichkeiten bleiben im Moment nicht, Demonstrationen gegen die Krankenhausschließung sind wegen der Corona-Epidemie natürlich verboten. Das stößt den Bewohnern der Kleinstadt sauer auf: Nicht verboten scheint es nämlich zu sein, mitten in der Corona-Epidemie ihr Krankenhaus zu schließen. Der zunächst genannte Schließungstermin im Juli war zwar bald wieder vom Tisch. Das Krankenhaus solle so lange offen bleiben, wie es zur Bewältigung der Coronakrise benötigt wird, hieß es aus dem saarländischen Gesundheitsministerium. Doch gilt das auch für eine zweite oder dritte Welle von Infektionen? Und warum muss das Krankenhaus überhaupt schließen, wenn es doch in Notzeiten wie jetzt offensichtlich gebraucht wird? "Die ganze Welt kämpft gegen Corona, und wir diskutieren über die Schließung", kritisiert Gerhard Sauer, der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung des Lebacher Krankenhauses. Bei den Menschen und den 450 Mitarbeitern herrsche "absolutes Unverständnis".

Bekannt wurden die Schließungspläne am 6. März, als die Seuche seit zwei Monaten in China wütete und sich auch in Europa die Fälle häuften. Der katholische Träger des Lebacher Krankenhauses, die Cusanus Trägergesellschaft Trier (CTT), hatte das saarländische Gesundheitsministerium über dramatische Verluste des Hauses informiert. Ab Ende Juli sollten dort keine Patienten mehr aufgenommen werden. Die Nachricht traf das Ministerium und die Lebacher unvorbereitet. Noch vor einem Jahr sollte die Klinik ein neues Bettenhaus bekommen. Die Pläne dafür waren genehmigt, die Bäume auf einem Nachbargrundstück bereits gefällt.

Hunderte Krankenhäuser wurden in den vergangenen Jahren in Deutschland abgewickelt

Am 12. März war eine große Aussprache angekündigt, mit den Verantwortlichen der Klinik, der saarländischen Gesundheitsministerin, dem Landrat, den Bürgermeistern aus Lebach und umliegenden Gemeinden. Hunderte hatten sich vor und in der Stadthalle versammelt. Doch die öffentliche Sitzung wurde kurzfristig abgeblasen. Es war einer jener Tage gewesen, an denen sich die Ereignisse überstürzten und bundesweit Veranstaltungen wegen Corona abgesagt oder verboten wurden.

Auch der Träger des Krankenhauses wollte an diesem Abend Stellung nehmen und darlegen, dass Lebach in den vergangenen Jahren zehn bis zwölf Millionen Euro Verluste angehäuft habe. So stand es in dem Manuskript, das Rüdiger Fuchs vorbereitet hatte. Fuchs ist Vorsitzender der Hildegard-Stiftung, der die CTT und das Lebacher Krankenhaus angehört. Die Klinik sei nur noch zu 60 Prozent ausgelastet gewesen, wollte er sagen, die Gebäude "nicht zukunftsfähig", allein für notwendige Brandschutzmaßnahmen hätten 18 Millionen Euro investiert werden müssen. Ein Weiterbetrieb hätte die CTT in existenzielle Schwierigkeiten gebracht.

Belegschaftsvertreter Sauer bezweifelt diese Erklärung. Seit dem Wechsel der Geschäftsführung im vergangenen Sommer gehe es mit der Klinik in Lebach aufwärts, die Verluste seien gesunken, die Auslastung auf 80 Prozent gestiegen. Wie viele in Lebach vermutet Sauer, dass andere Interessen eine Rolle gespielt haben: In der Hildegard-Stiftung sitzt nämlich auch der Vorsitzende der Marienhaus-Stiftung, die auch Krankenhäuser betreibt. Eines davon befindet sich in Losheim, 30 Autominuten von Lebach entfernt. Sauer argwöhnt, bei Marienhaus wolle man staatliche Gelder für die Schließung von Lebach kassieren, um den Ausbau in Losheim zu finanzieren.

So ein Vorgehen war in der Vergangenheit normal - und politisch erwünscht. Im schwäbischen Künzelsau etwa schloss Ende des vergangenen Jahres das Krankenhaus. Die Trägergesellschaft erhielt im Gegenzug 50 Millionen Euro aus dem Krankenhausstrukturfonds, für den Neubau des Klinikgebäudes im benachbarten Öhringen. Hunderte Kliniken wurden in den vergangenen Jahren in Deutschland abgewickelt, Tausende Betten abgebaut. Die Bertelsmann-Siftung forderte, noch einmal mehr als die Hälfte der verbliebenen deutschen Krankenhäuser zu streichen.

Schulen oder Feuerwehr müssten sich "auch nicht rechnen", sagt die Linke. Warum dann Kliniken?

In der Coronakrise stellt sich nun heraus, dass diese Kapazitäten dringend gebraucht werden. Während Deutschland wiederholt in internationalen Vergleichen für seine vergleichsweise hohe Bettenzahl getadelt wurde, gilt das hiesige System plötzlich als Vorbild: Eine aktuelle Studie des Institute for Health Metrics and Evaluation in Seattle kommt zum Schluss, dass in Großbritannien wegen Corona achtmal so viele Menschen sterben würden wie in Deutschland. In den USA seien zehnmal so viele Tote zu erwarten. Beiden Ländern hatten frühere Studien bescheinigt, wesentlich besser auf eine Pandemie vorbereitet zu sein als etwa Deutschland.

Weil aber auch hierzulande Engpässe drohten, wurden bereits stillgelegte Krankenhäuser zur Behandlung von Corona-Patienten reaktiviert. Im zwischenzeitlich verwaisten Krankenhausgebäude in Künzelsau befindet sich seit kurzem eine Isolierstation. Wie also passen die Pläne des Krankenhauses Lebach in diese Zeit?

Die Trägergesellschaft CTT teilt auf Anfrage mit, die Schließung sei am 6. März noch gar nicht von den Gremien abgesegnet gewesen. Zudem habe das Krankenhaus seitdem eine Corona-Station mit aktuell 42 Betten aufgebaut, nachdem die Regierung des Saarlandes das Krankenhaus aufforderte, Covid-19-Patienten zu behandeln. Man sei dieser Aufforderung "zum Wohle der Bevölkerung zu jedem Zeitpunkt in adäquater Weise" nachgekommen. Belegschaftsvertreter Sauer entgegnet, nach Bekanntwerden der Pläne hätten mehrere Ärzte des Lebacher Krankenhauses gekündigt, sechs allein in der Inneren Medizin. Auch einige Pflegekräfte hätten sich auf die Suche nach einem neuen Arbeitgeber gemacht. Die Geduld vieler Mitarbeiter sei aufgebraucht, bestätigt der Lebacher Bürgermeister. Sie hätten wegen diverser Schieflagen bei der Trägergesellschaft in den vergangenen Jahren auf 120 Millionen Euro Lohn verzichtet, um ihren Arbeitsplatz zu sichern. Trotzdem stünden sie jetzt vor dem Nichts.

In der Coronakrise mehren sich grundsätzliche Zweifel an der bisherigen Finanzierung des Krankenhaussystems. Der Altliberale Gerhart Baum äußerte jüngst, es sei falsch gewesen, Krankenhäuser so stark dem Wettbewerb auszusetzen, dass nun die Versorgung leide. Jan Korte von der Linkspartei sieht das Dogma "Markt vor Staat" völlig am Ende. Die Klinikschließungen der vergangenen Jahre seien rein betriebswirtschaftlich motiviert gewesen. Die Krankenhausfinanzierung über Fallpauschalen habe gerade kleinere Häuser unter ökonomischen Druck gesetzt.

Das beklagte auch der Vorsitzende der Hildegard-Stiftung, Rüdiger Fuchs. Dem Lebacher Krankenhaus hätten die nötigen Fallzahlen gefehlt und die "entsprechenden Schweregrade der Erkrankungen". Tatsächlich finanzieren sich Kliniken vor allem mit komplizierten Eingriffen, die viel technisches Gerät erfordern. Kleinere Krankenhäuser wie das in Lebach können da kaum mithalten. Der Linken-Politiker Korte fordert, Krankenhäuser sollten überhaupt nicht mehr verpflichtet werden, Gewinne zu erwirtschaften. Polizei, Schulen oder Feuerwehr müssten sich schließlich "auch nicht rechnen".

Das Problem betreffe alle, nicht nur die Kranken, sagt Mitarbeitervertreter Sauer. Die Ausgangsbeschränkungen habe die Politik schließlich damit begründet, dass keinesfalls das Gesundheitssystem überlastet werden dürfe. Das Bundesgesundheitsministerium sieht aber keinen Anlass, in Lebach aktiv zu werden. Krankenhausplanung sei Ländersache. Aus dem saarländischen Gesundheitsministerium heißt es, die Schließung eines Krankenhauses liege in der Hand des Trägers. Ein Aus der Klinik Lebach werde aber "keine Verschlechterung der Versorgungssituation" bedeuten.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde der Vorstandsvorsitzende der Hildegard-Stiftung fälschlich als Christian Fuchs zitiert. Sein richtiger Name lautet Rüdiger Fuchs.

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