Gesundheit:Heilmittel, die auch helfen sollen

Weg mit den Windeln, die undicht sind und den Patienten wundscheuern. Ein neues Gesetz soll die Krankenkassen dazu zwingen, ihren Leistungskatalog nicht nur nach Kostenkriterien zu gestalten.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die Familie war verzweifelt. Jahrelang hatte der schwerbehinderte Sohn die Windeln eines bestimmten Herstellers getragen. Doch dann wechselte seine Kasse den Anbieter und das neue Produkt war deutlich schlechter. Die Windeln saßen schlecht und der Sohn fühlte sich äußerst unwohl, schrieb die Familie an den Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU). Die alte Sorte habe man nur noch bekommen, wenn man etwa 60 Euro im Monat zusätzlich gezahlt hätte. Doch das wäre für die Familie auf Dauer zu teuer geworden.

Viele Patienten, die an Inkontinenz leiden, kennen dieses Problem. Zahlreiche Kassen haben in den vergangenen Monaten Verträge mit neuen Herstellern abgeschlossen und dabei schlechtere Qualität in Kauf genommen. Nach einer Erhebung Laumanns liegt der Preis, den viele Kassen als Monatspauschale zahlen, unter 20 Euro. Dabei kam der Bundesrechnungshof erst im Juni zum Ergebnis, dass eine gute Versorgung mit Windeln nicht unter 31,50 Euro im Monat zu haben ist.

Auch die Behandlung durch Physiotherapeuten oder Logopäden soll verbessert werden

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will deshalb eingreifen. An diesem Mittwoch beschloss das Kabinett ein Gesetz, mit dem dafür gesorgt werden soll, dass nicht mehr nur der Preis, sondern auch die Qualität eine Rolle beim Vertragsabschluss bei den Kassen spielen soll und zwar zu mindestens 40 Prozent. Das gilt nicht nur für Windeln, sondern auch für andere Hilfsmittel, also etwa Rollatoren, Prothesen, Bandagen, Kompressionsstrümpfe, Schuheinlagen oder Rollstühle. Es gehe darum, dass die Patienten die richtigen Hilfsmittel erhalten, um ihren Alltag möglichst selbstständig meistern zu können, sagte Gröhe.

Der Spitzenverband der Krankenkassen soll dazu den etwa 35 000 Hilfsmittel starken Katalog in den kommenden eineinhalb Jahren auf den neuesten Stand bringen. Bis Ende 2017 muss er zudem ein Verfahren eingeführt haben, das den Katalog automatisch aktualisiert. Die Kassen sollen ihren Versicherten zudem künftig eine größere Auswahl an Hilfsmitteln zur Verfügung stellen, und so sicherstellen, dass sie das passende Angebot erhalten.

Die Kassen achten inzwischen stark auf die Ausgaben für Hilfsmittel. Sie machen mit zuletzt 7,63 Milliarden Euro zwar nur einen kleinen Teil ihrer Gesamtausgaben aus. Jedoch stiegen die Ausgaben für die Hilfsmittel in den vergangenen Jahren teils deutlich an, was sich vor allem durch den demografischen Wandel, also den höheren Anteil von älteren Menschen in der Gesellschaft erklären lässt.

Im gleichen Gesetz will Gröhe auch die Behandlung der Patienten bei Physiotherapeuten, Logopäden und anderen Erbringern von Heilmitteln verbessern. In einer ganzen Reihe von bundesweiten Modellvorhaben soll es vom Arzt nur noch ein Blankorezept geben. Der Physiotherapeut etwa entscheidet dann selbst, welche Anwendung der Patient braucht, wie lange und wie oft. Heute muss sich der Patient in der Regel nach sechs Anwendungen ein neues Rezept von seinem Arzt holen, falls noch keine Besserung eingetreten ist. Die Kassenärzte übten bereits scharfe Kritik an dem Vorhaben.

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