Gesundheit:Beifall für Spahns Vorstoß zur Organspende

Organspenderausweis

Derzeit spenden in Deutschland 9,3 Menschen pro eine Million Einwohner ihre Organe. Ein Tiefwert im internationalen Vergleich.

(Foto: dpa)
  • Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schlägt vor, die Organspende in Deutschland für jeden Bürger im Todesfall verpflichtend machen.
  • Der Vorstoß wird von Politikern von SPD, Grünen und Linken positiv aufgenommen. Sie fordern eine offene Diskussion darüber im Bundestag.
  • Kritik an dem Vorschlag kommt von FDP und dem Deutschen Ethikrat.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Politiker der SPD, der Grünen und der Linkspartei wollen die Neuregelung der Organspende zu einer Gewissensfrage im Bundestag erklären. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) befürworte ebenfalls eine solche Debatte, ohne aber schon Position zu beziehen, sagte ihr Sprecher. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Montag dafür plädiert, dass jeder Bürger im Todesfall automatisch zum Organspender wird - es sei denn, er oder seine Angehörigen widersprechen. Auch Spahn legte allerdings keinen Gesetzentwurf vor, er regte eine offene Abstimmung im Parlament an.

SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach signalisierte Unterstützung für eine solche Widerspruchslösung. Heute wünsche sich die Mehrheit der Bevölkerung im Bedarfsfall ein Spenderorgan, doch nur ein Bruchteil trage einen Organspendeausweis bei sich. Dies sei ein "politisches Versagen", so Lauterbach. Mit 9,3 Spendern pro eine Million Einwohner liegt Deutschland international auf einem der letzten Plätze.

Kritik vom Deutschen Ethikrat

Die SPD-Justizministerin Katarina Barley begrüßte ebenfalls eine Gewissensfrage zur Organspende. Während sich Harald Weinberg von der Linkspartei und die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock bereits aus ihrer "ganz persönlichen Sicht" Spahns Widerspruchslösung anschlossen, kritisierte die grüne Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther die Idee und forderte deshalb "dringend eine fraktionsübergreifende Debatte". Wichtiger als die Ausweise abzuschaffen sei es, die Abläufe in den Kliniken zu verbessern. Zu selten würden Ärzte potenzielle Spender melden. Es müsse sich für Kliniken finanziell lohnen, Betten und Personal für die Entnahme von Organen bereitzuhalten. Gesundheitsminister Spahn hatte erst am Freitag eine Reform vorgestellt, die Organentnahmen erleichtern soll. "Das hilft allen Menschen, die händeringend auf ein Organ warten, bedeutend mehr als alle Menschen pauschal zu Organspendern zu erklären", sagte Kappert-Gonther.

FDP-Chef Christian Lindner warnte vor einer "Deformation der Selbstbestimmung", seine Parteikollegin Christine Aschenberg-Dugnus argumentierte: "Die Widerspruchslösung missachtet das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger und verkehrt die freie Entscheidung, Organe zu spenden, damit ins Gegenteil", sagte sie. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Karin Maag (CDU), führte an, der Staat dürfe den Bürgern bei der Organspende keine Pflicht zur Entscheidung auferlegen. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, kritisierte Spahns Vorschlag ebenfalls. Eine Widerspruchslösung würde "einen fundamentalen Paradigmenwechsel" bedeuten: "Eine solche Regelung machte den menschlichen Körper zu einem Objekt staatlicher Sozialpflichtigkeit." Auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz äußerte ethische Bedenken. Die seit nunmehr sechs Jahren bestehende Entscheidungslösung gewährleiste die Möglichkeit, dass Menschen sich frei und informiert entscheiden können, und respektiere das Selbstbestimmungsrecht.

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