Gestürzter Diktator:Tunesien macht Ben Ali den Prozess

Drogen- und Waffendelikte, Veruntreuung von Staatsvermögen: In Tunesien starten heute eine Reihe von Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Ben Ali. Der gestürzte Diktator lässt über seine Anwälte in deutlichen Worten mitteilen, was er von der Justiz nach der Revolution in seinem Land hält.

Dem ehemaligen tunesischen Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali soll an diesem Montag ein erster Prozess gemacht werden: Ein Gericht in der Hauptstadt Tunis wird darüber urteilen, ob Ben Ali gemeinsam mit seiner Frau Leila Staatsvermögen veruntreut hat. Der Angeklagte selbst wird bei dem Prozess nicht anwesend sein.

Former Tunisian president to be tried in absentia

Gegen den früheren tunesischen Präsidenten Ben Ali beginnt in Tunesien an diesem Montag ein erster Prozess: Dass Saudi Arabien den im Exil lebenden Diktator ausliefern wird, gilt als unwahrscheinlich.

(Foto: dpa)

Bereits im Vorfeld wetterte Ben Ali gegen das Verfahren - und bezeichnete den bevorstehenden Prozess als "schändliche Maskerade" einer "Siegerjustiz". In der Erklärung, die Ben Ali über seine französischen Anwälte veröffentlichen ließ, heißt es: "Er weiß, dass jede politische Autorität ihren Vorgänger beschuldigen will und ihn für die Schwierigkeiten zur Verantwortung ziehen will, die sie selbst nicht lösen kann."

In der Erklärung dementiert der 74-Jährige, aus Tunesien geflohen zu sein: Vielmehr habe er das Land verlassen, um "brudermörderische und tödliche Konfrontationen" unter den Tunesiern zu vermeiden. Er werde die Umstände seines Weggangs bei passender Gelegenheit näher erläutern, heißt es in der Stellungnahme weiter. Es ist die erste öffentliche Äußerung Ben Alis, seit er Tunesien nach monatelangen Massenprotesten am 14. Januar verlassen hatte und nach Saudi-Arabien ging.

Neben der Veruntreuung von Staatsvermögen werden Ben Ali auch Waffen- und Drogendelikte vorgeworfen. Die Ermittlungsbehörden wollen fast zwei Kilogramm Drogen - vermutlich Cannabis - sichergestellt haben. Ben Alis Gegner werfen ihm vor, sich und seinen Clan während seiner jahrzehntelangen Herrschaft auf Kosten der Bevölkerung rücksichtslos bereichert zu haben.

Auf die Delikte, die Ben Ali und seiner Frau zu Last gelegt werden, stehen bis zu 20 Jahre Haft. Vor der Militärjustiz muss sich Ben Ali auch wegen Totschlags und Folter verantworten, was mit der Todesstrafe geahndet werden könnte. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass Ben Ali und seine Frau im Fall einer Verurteilung von Saudi-Arabien ausgeliefert werden. Die saudischen Behörden haben sich bezüglich des Auslieferungsantrags von Tunesien noch nicht geäußert.

Die Verteidigung Ben Alis kündigte an, dass sie zum Prozessauftakt eine Verschiebung des Verfahrens beantragen will. In dieser Zeit solle Kontakt mit dem Mandanten aufgenommen werden, um seine Verteidigung vorzubereiten, sagte der vom Gericht bestellte Anwalt Hosni Beji der Nachrichtenagentur AFP.

Der Prozess gegen Ben Ali ist der Auftakt einer Reihe von Verfahren gegen den ehemaligen Staatschef und sein Gefolge. Ben Ali war in Tunesien 23 Jahre an der Macht. In Tunesien nahmen die Proteste in der arabischen Welt im Dezember mit der Selbstanzündung eines Arbeitslosen ihren Anfang. Nach mehrwöchigen Unruhen war Ben Ali im Januar ins Exil nach Saudi-Arabien geflohen.

Angesichts der Abwesenheit Ben Alis und seiner Frau, die von zwei Anwälten vertreten werden, sieht die tunesische Opposition in dem Prozess gegen Ben Ali nur eine symbolische Verfolgung der ehemaligen Staatsführung. Sie fordert Reformen im Justiz- und Sozialsystem sowie mehr Pressefreiheit, nachdem die Opposition unter Ben Ali jahrzehntelang systematisch unterdrückt wurde.

Für den 23. Oktober ist in Tunesien die Wahl zu einer verfassunggebenden Versammlung angesetzt. Sie soll für das nordafrikanische Land eine moderne und demokratische Verfassung ausarbeiten.

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