Gestohlene Daten:Beste Ware, beste Preise

Dem Staat wurden schon oft gestohlene Daten angeboten. Meist kommt es dabei zu Diskussionen, manchmal auch zu Erpressungsversuchen.

Hans Leyendecker

Der Tipp war gut, die Steuerfahnder waren elektrisiert. Ein Unbekannter hatte sich bei den saarländischen Ermittlern gemeldet und angeboten, er könne Konto-Unterlagen von 270 Deutschen besorgen, die ein Depot bei einer Bank in Luxemburg hätten. Beste Ware.

In dem Depot seien nur Unterlagen von umgerechnet 150.000 Euro aufwärts, der Gesamtwert liege bei 75 Millionen Euro. Er selbst sei nur Mittelsmann. Der Beschaffer verlangte für die Herausgabe der Dokumente 250.000 Euro. Später erklärte er sich bereit, auch auf Provisionsbasis zu arbeiten: Von jedem Fang der Steuerfahnder wollte er eine Erfolgsbeteiligung.

Der Vorgang stammt aus dem Jahr 1997 und ist gleichwohl aktuell. Soll der Staat gestohlene Unterlagen kaufen, um damit Steuersünder zu überführen? Oder muss der Staat auf einen solchen Fang verzichten?

Der Unbekannte schickte den saarländischen Fahndern zunächst Depotauszüge von drei deutschen Steuerzahlern, und die Kostprobe war gut. Alle drei hatten die Erlöse aus dem Luxemburg-Depot nicht angegeben. Der Fall kam auf die Tagesordnung der Finanzministerkonferenz, und natürlich wurde heftig diskutiert, welches Bundesland mit welchem Anteil sich an einer solchen Prämie für den Dieb beteiligen sollte (und wollte).

Post von Theo Waigel

Das chronisch klamme Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise war bereit, bescheidene 5000 Euro für den Spitzel zu spendieren. Erwin Huber, der auch damals bayerischer Finanzminister war, hätte schon mehr zahlen müssen und können, war aber skeptisch.

Eigentlich, so fand er, dürfe sich der Staat aus so trüben Quellen nicht bedienen. Auch die Saarländer hatten moralische Bedenken, während beispielsweise Rheinland-Pfalz aufgeschlossen und interessiert war. Am Ende wurde dann nichts aus dem großen Geschäft.

"Das war ein einzigartiger Fall", erinnert sich Dieter Ondracek, der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. "Die Steuerbehörden haben für solche Fälle, anders als der Zoll beispielsweise, gar keinen Topf." Ondracek war damals gegen eine Belohnung für den Luxemburg-Informanten gewesen.

Der Zoll zahlt tatsächlich für wichtige Hinweise ein Handgeld, den Rest gibt es, wenn der Tipp zum Erfolg führt. So entrichtet die Polizei etwa in der Drogenszene erhebliche Prämien an V-Leute. Die Höhe richtet sich auch in diesem Fall nach dem Fang. Der Bundesnachrichtendienst (BND) zahlt sowieso. Geheimdienstler wissen, dass jeder käuflich ist. Es kommt nur auf die Summe an.

Dass wie damals im Luxemburg- und jetzt im Liechtenstein-Fall ein Dieb seine Beute gleich bei den Behörden abliefern will, ist allerdings die Ausnahme. Häufiger kommt es zu Erpressungsversuchen. Ein Beispielfall spielte ebenfalls in den neunziger Jahren, und auch er zeigt die Probleme der Behörden im Umgang mit solcher Ware.

Ein Bankkaufmann, der vorübergehend bei einer Tochterfirma der Commerzbank in Luxemburg gearbeitet hatte, war in den Besitz einer Kundenliste mit Kontonummern und Umsätzen von 1500 deutschen Anlegern gekommen.

Er meldete sich bei dem Chef der Commerzbank-Tochter und verlangte 2,5 Millionen Euro "Finderlohn" für die Liste. Ansonsten würden die Unterlagen bei der Steuerfahndung landen. Wenn die Bank zahlen wolle, solle sie in einer Zeitung eine Chiffre-Anzeige schalten: "Luxemburger Sammler kauft Gemälde von A. Balwe mit Echtheitzertifikat."

Das Geld wurde dann tatsächlich von der Bank auf ein Konto bei einem Geldhaus im österreichischen Bregenz überwiesen, aber nicht zur Zahlung freigegeben. Der Erpresser wurde unruhig, schickte immer wieder mal "Kostproben" nach Deutschland, und als er richtig zornig wurde, bekamen Commerzbank-Kunden von ihm Post mit dem Absender "Theo Waigel".

Der CSU-Politiker war damals Bundesfinanzminister. Er habe erfahren, stand da, dass der Kunde bei der Commerzbank-Tochter ein Konto unterhalte. Die Bank schaltete das Bundeskriminalamt ein, der Erpresser wurde festgenommen und zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft stellte in der Wohnung seiner Eltern die Kundenliste sicher - und reichte sie an die Steuerfahndung weiter.

Die Commerzbank empörte sich mächtig und forderte die Rückgabe des Materials. Die Liste unterliege einem Verwertungsverbot für Steuerstrafverfahren, meinte ein Anwalt der Bank. Die Beamten machten sich zu Komplizen des Diebes. Die Steuerbeamten ließen sich davon nicht sehr beeindrucken. Die Liste wurde abgearbeitet.

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