Süddeutsche Zeitung

Gesetzespaket zur Energiewende:Kabinett beschließt Atomausstieg bis 2022

Acht Kraftwerke sofort, bis 2022 alle anderen: Schwarz-Gelb hat den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Unklar ist noch, ob ein Stand-by-AKW benötigt wird.

Das Bundeskabinett hat das sofortige Aus für acht Atommeiler und den stufenweisen Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 beschlossen. In einer Sondersitzung votierten die Regierungsmitglieder am Montagmorgen für eine entsprechende Neufassung des Atomgesetzes, wie aus Regierungskreisen verlautete.

Eines der sofort abzuschaltenden AKW soll möglicherweise bis 2013 noch in Bereitschaft gehalten werden, für den Fall von Stromengpässen im Winter. Ob ein solches Stand-by-AKW nötig ist, soll die Bundesnetzagentur in den nächsten Wochen entscheiden.

Nach den sofort stillzulegenden AKW sollen die verbleibenden neun noch Strom produzierenden Meiler nach folgendem Zeitplan vom Netz gehen:

- 2015 Grafenrheinfeld (Bayern),

- 2017 Gundremmingen B (Bayern)

- 2019 Philippsburg 2 (Baden-Württemberg)

- 2021 Grohnde (Niedersachsen), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Gundremmingen C (Bayern)

- 2022 Isar 2 (Bayern), Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg) und Emsland (Niedersachsen)

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-1 zu einer Kehrtwende in der Atompolitik entschlossen. Noch im Herbst 2010 hatten Union und FDP die Laufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert, der letzte Meiler wäre demnach nicht vor 2036 vom Netz gegangen. Am Donnerstag wird Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung zur Energiepolitik abgeben.

Bereits bis 8. Juli soll das geänderte Atomgesetz Bundestag und Bundesrat passiert haben, um rasch in Kraft treten zu können. Die SPD signalisierte Zustimmung zum neuen Atomgesetz. "Ein Konsens über den Atomausstieg in Deutschland ist möglich", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, in der ARD. "Wir können uns vorstellen, dem Atomgesetz zuzustimmen, wenn es ein schneller, unumkehrbarer Ausstieg wird, wenn die Leute endlich wissen, woran sie sind, und dieser Ausstieg dann auch gilt - und zwar auf Dauer."

Die Grünen warten hingegen noch ab und wollen notfalls einen Sonderparteitag am 25. Juni entscheiden lassen. Umweltverbände kritisieren, der Ausstieg sei nicht ambitioniert genug. Greenpeace fordert ihn bis 2015.

Mit Lichtprojektionen an allen neun noch laufenden AKW in Deutschland demonstrierten Greenpeace-Mitglieder am Montagmorgen gegen die Atompolitik der Bundesregierung.

Die Energiekonzerne zweifeln, ob die geplante stufenweise Abschaltung der neun verbleibenden Kernkraftwerke juristisch wasserdicht ist. Durch die Verkürzung der Laufzeiten werde "ein Verstromen der Altmengen beinahe unmöglich", erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus dem Umfeld eines Energiekonzerns. Dabei geht es darum, ob bis zum jeweiligen Abschaltdatum die bereits früher zugestandenen Strommengen produziert werden können. Dürfen die Konzerne vertraglich zugesicherte Strommengen nicht mehr produzieren, könnte dies als Eingriff in ihre Eigentumsrechte gewertet werden - dem Staat könnten hohe Entschädigungsforderungen drohen. Mit Blick darauf lassen Konzerne nach dpa-Informationen bereits Juristen Vermögensschäden prüfen. Die Regierung hält die Art und Weise des Atomausstiegs jedoch für rechtssicher.

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