Gesetzesinitiative:Kindertagesstätten: Schreien erlaubt

Immer wieder klagen Anwohner gegen Kitas in ihrer Nachbarschaft. Das Bauministerium plant nun, die Genehmigungen in Neubaugebieten zu erleichtern und will zwischen Kinderlärm und Verkehrsgebrumm künftig einen Unterschied machen.

Roland Preuß

Sie tragen niedliche Namen wie "Marienkäfer" oder "Milchzahn", doch manche Anwohner empfinden sie als Quelle von Radau: Kindertagesstätten. Auch wenn die Kleinen noch auf schwachen Beinchen über die Wiese tapsen - die Natur hat sie mit kräftigen Stimmen gesegnet. Das können Eltern bestätigen - und Nachbarn von Kindergärten und Krippen. Anwohner haben in den vergangenen Jahren immer wieder gegen den tobenden Nachwuchs geklagt und recht bekommen. Die "Milchzahn"-Kita in Berlin-Friedenau musste deshalb schließen, die "Marienkäfer" in Hamburg-Wandsbek aus ihren Räumen ausziehen.

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Krachmachen erlaubt: Bauminister Peter Ramsauer will den Neubau von Kitas erleichtern und die Klagemöglichkeiten von Anwohnern einschränken.

(Foto: ddp)

Und das in einer Zeit, in der Deutschland gegen Kinderarmut kämpft und Kitaplätze in rasantem Tempo aufgestockt werden sollen. Um anderen Kitas künftig das Schicksal der "Marienkäfer" zu ersparen, will die Bundesregierung nun die Gesetze ändern.

Mit Lärmschutzwänden gegen Kita-Lärm

"Kinderlärm ist doch keine schädliche Umwelteinwirkung", vor der die Bürger geschützt werden müssten, sagt Bundesbauminister Peter Ramsauer. Bisher darf eine Kindertagesstätte nur per Ausnahmegenehmigung in einem Wohngebiet eingerichtet werden, diese Regelung erleichterte es Anwohnern, per Anwalt gegen die Einrichtungen vorzugehen. Künftig sollen Kitas dagegen "grundsätzlich in allen Wohngebieten zulässig sein", sagt Ramsauer. Die geplante Neufassung des Baugesetzbuchs würde allerdings nur für Neubaugebiete gelten, für bestehende Siedlungen könne man die Rechtslage nicht nachträglich ändern, heißt es aus dem Bauministerium. Dennoch: In neuen Siedlungen wird es für Betreiber wie auch Städte und Gemeinden deutlich einfacher, eine Kita aufzubauen.

Auch der zweite juristische Hebel gegen Kitas soll verschwinden: Das Immissionsschutzgesetz. Dort wird bislang kein Unterschied gemacht, ob in der Nachbarschaft ein Kind kreischt oder ein Schwerlaster vorbeirumpelt - beides kann eine unzumutbare Belastung sein. Auch das soll sich ändern. Künftig wird es in der Regel nicht mehr möglich sein, wegen Kinderlärms aus Kitas vor Gericht zu ziehen. Bisher mussten sich Kitas teilweise mit teurem Lärmschutz behelfen. Die "Marienkäfer" etwa waren nach ihrem Umzug gezwungen, die Nachbarn mit einer 60 Meter langen Lärmschutzwand zu besänftigen. Aus dieser Erfahrung heraus hat das Land Berlin im Februar als erstes sein Lärmschutzgesetz zugunsten der Kinder geändert.

Anderswo werden bedrängte Kitas noch etwas auf Abhilfe warten müssen. Der Gesetzentwurf soll erst nach einer Expertenanhörung im Herbst in den Bundestag kommen. Der Bundesrat hat schon Unterstützung signalisiert: Er hat ebenfalls gefordert, Kinderlärm endlich zu tolerieren. Diesen Freiraum bräuchten die Kleinen für ihre Entwicklung.

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