Süddeutsche Zeitung

Gesetzentwurf zur Sterbehilfe:Arzt soll entscheiden

  • Sechs Bundestagsabgeordnete aus Union und SPD wollen Ärzten erlauben, Patienten auf deren Wunsch bei der Selbsttötung zu unterstützen.
  • Sie stellen sich damit gegen Gesundheitsminister Gröhe, der sich ein umfassendes Verbot aller Sterbehilfeangebote wünscht.
  • Die Bundesärztekammer ist ebenfalls gegen die "Hilfe zur Selbsttötung".

Von Nina von Hardenberg

Die sechs Abgeordneten nennen es provokant ein "Gebot der Menschenwürde": Wer am Ende seines Lebens schwer leidet, dem müsse geholfen werden, schreiben sie. Das Pikante daran ist: Helfen heißt für diese Gruppe von SPD- und Unions-Parlamentariern um den Bundestagsvizepräsidenten Peter Hintze und den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach eben auch die Hilfe zum Sterben.

Die Politiker stellten am Donnerstag Eckpunkte für einen Gesetzesentwurf vor, der es Ärzten explizit erlauben soll, Patienten auf Wunsch hin bei der Selbsttötung zu unterstützen. In der laufenden Debatte über eine Regelung der Sterbehilfe sind sie damit die erste Gruppe, die konkrete Ideen vorlegt. Und sie stellen sich damit prompt gegen weite Teile der Union und gegen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der sich ein umfassendes Verbot aller Suizidhilfeangebote in Deutschland gewünscht hatte.

Gröhe will nicht nur umstrittene Sterbehilfevereine wie den des ehemaligen Hamburger Justizsenators Roger Kusch verbieten, er will auch jeden unter Strafe stellen, der anderen bei der Selbsttötung hilft. Das Thema soll im Bundestag ohne Fraktionszwang diskutiert und beschlossen werden. Eine erste Orientierungsdebatte ist für den 13. November geplant.

Wann leidet einer "schwer"?

Die sechs Abgeordneten pochen auf das Selbstbestimmungsrecht der Kranken. Der Mensch am Ende seines Lebens "muss selbst bestimmen, was er noch ertragen kann", sagte Hintze bei der Vorstellung des Papiers. Einige Einschränkungen aber machen die Autoren doch. Sie wollen auch Ärzten nur dann freie Hand lassen, wenn die Krankheit "irreversibel zum Tode führt" und wenn die Patienten schwer leiden.

"Schwer leiden" sei die dauerhafte persönliche Empfindung eines Todkranken, die von Dritten voll nachvollziehbar ist, präzisiert Hintze. Diese Frage müsse im Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt beantwortet werden.

Der Arzt sei deshalb der einzig richtige Ansprechpartner für Patienten in einer solch existenziellen Notlage, finden die Abgeordneten. Die Mediziner könnten einschätzen, ob es einem Patienten mit einem Sterbewunsch ernst ist oder ob ein Kranker vielleicht in Wahrheit an einer behandelbaren Depression leide. Sie könnten dann vielleicht sogar Suizide verhindern, heißt es in dem Eckpunktepapier.

Sterbehilfe sollte darum den Ärzten vorbehalten sein, sagen die Abgeordneten. Das Problem ist nur: Sie machen diese Rechnung ohne die Ärztevertreter. Zwar geben einige Mediziner in Umfragen an, dass sie bereit wären, einem Patienten in bestimmten Situationen beim Suizid zu helfen. Die Bundesärztekammer aber ist strikt dagegen.

"Das Schwert des Stafrechts" sei das falsche Mittel

Ärzte "dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten", heißt es in ihrer erst 2011 verschärften Musterberufsordnung. Es ist eine unverbindliche Formulierungshilfe, nur zehn der 17 Landesärztekammern haben sie wortgetreu übernommen. Doch Kammerpräsident Frank Ulrich Montgomery betont immer wieder, dass er keine Gesetzesänderung wünscht. "Wir sind Helfer zum Leben, nicht zum Sterben", sagt er. Mit ihren Gesetzesplänen stellen sich die Abgeordneten darum nicht nur gegen weite Teile der Union, sondern auch gegen die organisierte Ärzteschaft.

Auch von anderer Seite gibt es Kritik an den Plänen. "Die kommerzielle Sterbehilfe bekommt man mit der Regelung nicht in den Griff", warnt der Mannheimer Medizinrechtler Jochen Taupitz. Der Jurist hat erst kürzlich gemeinsam mit dem Palliativmediziner Gian Domenico Borasio einen eigenen Gesetzesentwurf vorgestellt, der ebenfalls die Ärzte stärken soll. Dieser aber sah ein strafrechtliches Verbot aller Suizid-Hilfe-Angebote vor und definierte nur für Ärzte in bestimmten Situationen Ausnahmen.

Die sechs Abgeordneten dagegen wollen bewusst keine strafrechtliche Regelung, sondern nur eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs. "Wo es um menschliches Leiden an der Grenze zwischen Leben und Tod geht, ist das Schwert des Strafrechts das falsche Mittel", schreiben sie.

Sie gehen aber davon aus, dass sich das Problem unseriöser Sterbehilfeangebote damit trotzdem lösen lässt: Wenn Patienten wüssten, dass sie sich vertrauensvoll an ihren Arzt wenden können, würde Sterbehilfevereinen die Grundlage entzogen, sagte Lauterbach, der selbst Arzt ist, im ZDF: "So etwas brauchen wir aus meiner Sicht in Deutschland nicht."

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SZ vom 17.10.2014/fued
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