Das Bundeskabinett hat das umstrittene Betreuungsgeld sowie die Zuschusslösung zur Pflegevorsorge verabschiedet. Beide Vorhaben waren bis zuletzt auch koalitionsintern heftig umstritten und werden von der Opposition weiterhin attackiert. Die vor allem von der CSU verlangte Regelung sieht Geldleistungen an Eltern vor, die keine staatlich geförderte Betreuung für ihr Kleinkind in Anspruch nehmen. Nach dem Willen der Regierung soll der Bundestag das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschieden.
Noch unmittelbar vor der Abstimmung stellten FDP-Abgeordnete ihre Zustimmung in Frage. Der bayerische Abgeordnete Erwin Lotter erwägte, den umstrittenen Gesetzesentwurf im Bundestag abzulehnen. "Derzeit scheint mir das Betreuungsgeld ein gut gemeinter Kompromiss zu sein, der damit aber gerade den Unterschied von gut gemeint zu gut gemacht dokumentiert", sagte Lotter dem Handelsblatt.
Auch Nordrhein-Westfalens FDP-Chef Christian Lindner pochte noch kurz zuvor auf einen ausgeglichenen Bundeshaushalt 2014. "Ich gehe davon aus, dass der Parteivorsitzende dem Betreuungsgeld nur unter der Bedingung zugestimmt hat, dass unser Parteitagsbeschluss zur Schuldenfreiheit dennoch eingehalten wird", sagte Lindner dem Handelsblatt. Die FDP sei vertragstreu, aber der Koalitionsvertrag enthalte eben auch einen generellen Finanzierungsvorbehalt, fügte der Politiker hinzu. Es sei nicht akzeptabel, wenn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aufgrund der Mehrausgaben für das Betreuungsgeld neue Schulden aufnehmen müsste.
Schröder: Betreuungsgeld günstiger als geplant
Das soll laut Familienministerin Kristina Schröder (CDU) jedoch nicht passieren, im Gegenteil: "Das Betreuungsgeld wird günstiger als bislang veranschlagt. 2013 und 2014 bleiben wir jeweils 100 Millionen Euro unter den Eckwerten des Bundeshaushaltes vom März", sagte Schröder Spiegel Online. "Das Ergebnis dürfte auch die weiteren Beratungen in den Koalitionsfraktionen ein gutes Stück erleichtern", sagte Schröder. Sie setze darauf, dass die Debatte sich nun voll auf den Kita-Ausbau konzentriere.
Das sieht der Deutsche Städte- und Gemeindetag nicht so. Die Kommunen fürchten durch das Betreuungsgeld eine weitere Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden. "Einmal eingeführt, wird es politisch nicht möglich sein, diese Leistung wieder abzuschaffen. Im Gegenteil: Schon bald wird die Forderung erhoben werden, dass 150 Euro im Monat für die Betreuung des eigenen Kindes zu wenig sind", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem Handelsblatt.
Die Opposition will nun versuchen, das umstrittene Vorhaben noch zu vereiteln. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig sagte bereits vorab, wenn der Gesetzentwurf vorliege, "werden wir prüfen, ob er im Bundesrat zustimmungspflichtig ist. Falls dem so ist, wird die SPD das Betreuungsgeld stoppen", kündigte die Parteivize an.
Was bedeutet die Einführung des Betreuungsgeldes?
[] Das Betreuungsgeld wird zum 1. Januar 2013 eingeführt. Für Kinder im zweiten Lebensjahr sollen Eltern dann 100 Euro pro Monat erhalten. Von 2014 an wird auch für Kinder im dritten Lebensjahr Betreuungsgeld gezahlt. Zudem wird die Leistung dann auf 150 Euro erhöht.
[] Anspruch auf Betreuungsgeld haben alle Eltern, die ihr Kind nicht in einer staatlichen geförderten Kindertagesstätte oder von einer öffentlich bezuschussten Tagesmutter betreuen lassen. Der Anspruch auf die Leistung ist unabhängig davon, ob die Eltern berufstätig sind.
[] Hartz-IV-Empfänger werden nicht von der neuen Familienleistung profitieren, da das Betreuungsgeld in vollem Umfang auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird.
[] Für das nächste Jahr sind für das Betreuungsgeld 400 Millionen Euro veranschlagt, für die Jahre danach jeweils rund 1,2 Milliarden.
Neben dem Betreuungsgeld hat das Kabinett auch die Zuschüsse für eine private Pflege-Zusatzversicherung beschlossen. Auch dieses Vorhaben von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) wurde bis zuletzt stark kritisiert.
Anfang der Woche hatten sich die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP nach monatelangen Diskussionen darauf verständigt. Der Gesetzentwurf soll nun im Eilverfahren bis zur Sommerpause über die parlamentarischen Hürden gebracht werden. Was konkret umgesetzt werden soll:
[] Die Neuregelung soll Anfang 2013 in Kraft treten. Für den Pflege-Zuschuss sind 100 Millionen Euro im Bundeshaushalt eingeplant. Das reicht für knapp 1,7 Millionen Verträge.
[] 60 Euro wird der Staat dafür künftig pro Jahr und Versichertem beisteuern.
Die Opposition lehnt die Zuschusslösung als unsozial ab. Bahr wies den Vorwurf zurück. Mit der Zuschussvariante sollen - anders als bei einer steuerlichen Lösung - auch Bezieher kleiner Einkommen in den Genuss der staatlichen Förderung kommen. Die an der Riester-Rente angelehnte Förderung soll nach dem Willen der Regierung angesichts des zunehmenden Pflegerisikos Anreize für mehr Eigenvorsorge geben.