Gesetzesänderung:Sexuelle Belästigung wird strafbar

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Nein heißt Nein: Ein schärferes Strafrecht soll besser vor Übergriffen schützen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Sexuelle Übergriffe sollen in Deutschland künftig härter bestraft werden. Am Donnerstag beschloss der Bundestag eine Verschärfung des Sexualstrafrechts, die die Rechte von Opfern sexueller Gewalt stärken und Übergriffe vor Gericht leichter verfolgbar machen soll. Mit dem Grundsatz "Nein heißt Nein" wird auch das Übergehen rein verbaler Ablehnung zum Merkmal von Vergewaltigung. Erstmals soll sexuelle Belästigung ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Sogenanntes Grapschen ist dann strafbar. Auf Drängen der Union sollen zudem Übergriffe "aus Gruppen" eigens verfolgt werden können. Das zielt auf Szenarien wie jene in der Kölner Silvesternacht, als Frauen umringt und massiv sexuell belästigt wurden.

Mit dem Gesetz würden eklatante Lücken im Strafrecht geschlossen, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag. "Es ist auch eine Ansage, dass sexuelle Übergriffe im 21. Jahrhundert kein Kavaliersdelikt sind." Die Reform, mit der sich noch der Bundesrat befassen muss, wurde nur mit den Stimmen von Union und SPD beschlossen. Grüne und Linke, die seit Jahren auf mehr Opferschutz gedrungen hatten, kritisierten den Gesetzentwurf scharf und enthielten sich in der Endabstimmung. Sie unterstützten nur den Grundsatz "Nein heißt Nein". Demnach ist jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung strafbar. Tritt das Gesetz in Kraft, gilt nicht mehr nur als Vergewaltiger, wer eine sexuelle Handlung mit Gewalt oder Gewaltandrohung erzwingt und dabei Widerstand überwindet. Auch wer sich über den "erkennbaren Willen" des Opfers hinwegsetzt, ein Nein oder Weinen ignoriert, riskiert dann eine Verurteilung.

Die SPD-Rechtsexpertin Eva Högl nannte die Strafrechtverschärfung eine "wegweisende Reform", für die Frauen lange gestritten hätten. "Nein heißt Nein" könne Vergewaltigungsopfer ermutigen, vor Gericht zu gehen, sagte die Vize-Fraktionsvorsitzende der Linken, Cornelia Möhring. "Nur fünf bis zehn Prozent bringen überhaupt eine Vergewaltigung zur Anzeige." Die CDU-Abgeordnete Annette Widmann-Mauz erinnerte an den "kollektiven Schock" der Kölner Silvesternacht. Das "Antanzen" von Frauen habe "mittlerweile Methode", dem trete der Gesetzgeber entgegen. Ein neuer Gruppenparagraf sieht vor, dass jeder, der sich "an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat bedrängt", für sexuelle Übergriffe bestraft werden kann, auch wenn er diese Taten nicht begangen und keinen solchen Vorsatz gehabt hat.

Die Grünen lehnen diesen Gesetzesteil als verfassungswidrig ab. "So etwas geht in unserer Rechtsordnung gar nicht", sagte die Rechtspolitikerin Katja Keul. "Nach der Verfassung kann jeder nur für seine individuelle Schuld bestraft werden." Allein Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu bestrafen, sei "Sippenhaft". Das Gesetz sei "Murks", kritisierte die Linken-Abgeordnete Halina Wawzyniak. Ihre Fraktion lehne es auch deshalb ab, weil die Sexualstrafrechtsreform auf Druck der Union mit dem Ausweisungsrecht für Asylbewerber verknüpft worden sei. Schon ein "aufgedrängter Zungenkuss" könne künftig relevant für eine Abschiebung werden.

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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