Gesetze in China:Deutsche Stiftungen in China sind "technisch illegal"

Gesetze in China: Ein Militärpolizist schützt die Zufahrt zur Großen Halle des Volkes in Peking, in der der Nationale Volkskongress tagt.

Ein Militärpolizist schützt die Zufahrt zur Großen Halle des Volkes in Peking, in der der Nationale Volkskongress tagt.

(Foto: Nicolas Asfouri/AFP)
  • In China müssen ausländische NGOs seit Jahresanfang mit einem chinesischen Partner registriert sein - doch die sind kurzfristig nicht leicht zu finden.
  • Viele Organisationen sind dadurch auf einen Schlag illegal geworden. Sie kommen nicht mehr an ihre Konten, können Angestellte nicht mehr bezahlen.
  • Deutsche Stiftungen sprechen offiziell von "technischen Problemen". Doch sie arbeiten unter ständigem Risiko.

Von Christoph Giesen und Kai Strittmatter

Zu Jahresbeginn hofften viele Organisationen noch, dem neuen Gesetz genügen zu können, jetzt schlagen sie Alarm: Chinas Regierung hat ausländischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) derart strenge Auflagen gemacht, dass die Arbeit in dem Land für etliche unmöglich zu werden droht. Die ersten, wie die US-Juristenvereinigung American Bar Association, haben Festlandchina bereits verlassen, die überwältigende Mehrzahl der anderen bewegt sich im politischen und rechtlichen Niemandsland.

Das Gesetz stellt alle ausländischen NGOs unter Aufsicht der Polizei

Deutschlands politische Stiftungen sind derzeit de facto arbeitsunfähig. Sie befinden sich in der "technischen Illegalität", so nennen es Chinas Behörden. Bis zum Sommer haben die meisten daher ihr Programm auf Eis gelegt. Mitarbeiter der Stiftungen bangen um ihre Visa, viele NGOs kommen nicht mehr an ihre Konten, chinesische Angestellte können nicht mehr bezahlt werden. Und es ist nicht ganz klar, wie viel des Chaos bürokratischem Durcheinander geschuldet ist und wie viel "bewusster Willkür", wie es der Mitarbeiter einer deutschen Organisation vermutet.

Das Gesetz stellt alle ausländischen NGOs unter Aufsicht der Polizei und verlangt die Registrierung mit einem chinesischen Partner. Die Liste der erlaubten Partnerinstitutionen hatte Peking jedoch erst am 20. Dezember veröffentlicht, also genau zwölf Tage vor Inkrafttreten des Gesetzes. Wer keinen solchen Partner aufweisen kann, der ist offiziell illegal in China. Viele der von Peking designierten Partnerinstitutionen scheinen allerdings keine Lust zu haben, sich im zunehmend paranoiden politischen Klima in China an ausländischen NGOs die Finger verbrennen zu wollen. "Du kriegst nicht einmal jemanden ans Telefon. E-Mails werden nicht beantwortet", sagt Nora Sausmikat von der Stiftung Asienhaus, die Austauschprogramme zwischen deutschen und chinesischen NGOs organisiert. "Die Kooperationspartner befinden sich in einer Art Schockstarre."

Das Ministerium für öffentliche Sicherheit zählt etwa 7000 ausländische NGOs in China - allerdings rechnet Peking da alles mit ein, was keine Firma ist und keine diplomatische Vertretung. Also auch Handelskammern. Oder die Fraunhofer-Gesellschaft. Rund 200 deutsche Organisationen arbeiten nach amtlicher Zählung in China, darunter sind auch die parteinahen Einrichtungen: Konrad-Adenauer-, Friedrich-Ebert-, Heinrich-Böll-, Hanns-Seidel- und die Rosa-Luxemburg-Stiftung. "Dass das NGO-Gesetz nun nach über 20 Jahren intensiver Zusammenarbeit auch unsere Wirtschaftsorganisationen trifft, ist bedenklich und könnte ein Rückschritt in den gemeinsamen Anstrengungen für bessere Wirtschaftsbeziehungen sein", warnt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben.

Dilettantismus oder Absicht? Wohl eine Mischung aus beidem

Das Gesetz trat am 1. Januar ohne Übergangsfrist in Kraft, seither sind das bürokratische Wirrwarr und die Verunsicherung gewaltig - trotz Zusicherung selbst von Premier Li Keqiang, man werde eine "Hotline" einrichten. Ist es Dilettantismus oder Absicht? Wohl eine Mischung aus beidem. Jede Organisation muss nun nachweisen, dass sie zur "öffentlichen Wohlfahrt" beiträgt. Politisch genehme Organisationen, beispielsweise Wirtschaftsverbände oder NGOs, die dem Staat etwa bei der Armutsbekämpfung zur Hand gehen, werden wohl bleiben dürfen.

Andere, die Peking als politisch oder religiös heikel betrachtet, nicht. "Das ist ein Instrument, um auszusieben", sagt Nora Sausmikat. "Am Ende werden ein paar über die Klinge springen." Ihre Stiftung Asienhaus habe bei den Austauschprogrammen schon im vergangenen Jahr gemerkt, wie der Wind sich drehte: Bei den Bewerbungen chinesischer NGOs habe es einen Einbruch um 50 Prozent gegeben. "Die trauen sich nicht mehr. Und während wir vor drei Jahren noch Bewerbungen von NGOs in Bereichen wie Arbeits- und Verbraucherrecht oder HIV-Arbeit hatten, kriegen wir nun Bewerbungen in den Bereichen Altenpflege oder Birdwatching." Das NGO-Gesetz sei auch "eine Antwort auf das, was die Kommunistische Partei Chinas als westliche Unterwanderung" fürchte, schreiben die deutschen Chinawissenschaftler Kristin Shi-Kupfer und Bertram Lang in einem Aufsatz für The Diplomat.

Deutschlands politische Stiftungen sprechen von technischen Problemen

Bei Deutschlands politischen Stiftungen setzt man darauf, dass man am Ende zu jenen gehört, die weiter geduldet werden. Von "technischen Problemen" spricht offiziell die Hanns-Seidel-Stiftung, "bürokratischen Umsetzungsproblemen" gibt die Konrad-Adenauer-Stiftung die Schuld. Doch die Gefahr, dass etwas schiefgeht, steigt von Tag zu Tag. Mitte Januar musste das Visum der Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Peking turnusgemäß erneuert werden. Erst wenige Stunden vor Ablauf ließen sich die Sicherheitsbehörden erweichen, doch statt wie üblich ein Jahr bekam sie lediglich ein Drei-Monats-Visum, Verlängerung ausgeschlossen.

Ende dieser Woche läuft das Visum des Repräsentanten der Hanns-Seidel-Stiftung aus. Ebenfalls ungewiss: Am 1. April sollte eigentlich der neue Chef des Pekinger Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung seinen Dienst antreten. Bislang wartet er noch auf seine Papiere. Aber auch die Ortskräfte sind betroffen. Offiziell sind sie bei Personaldienstleistungsfirmen angestellt, die etwa auch die Steuern abführen. Wegen des neuen Gesetzes kündigten einige dieser Dienstleister die Verträge. Wenn bis zum 30. April keine Registrierung vorliegt, müssen alle lokalen Mitarbeiter gehen - die Arbeit könnte um Jahre zurückgeworfen werden.

In der deutschen Botschaft heißt es, Botschafter Michael Clauß sei in wachsender Sorge, weil vor dem Parteikongress auf chinesischer Seite anscheinend niemand das heiße Eisen anfassen will. Der Botschafter schrieb nun einen Brandbrief an die mächtige Parteikommission für Politik und Recht, der obersten Instanz in Sicherheitsfragen. Möglich, dass einige Stiftungen erneut auf Interventionen in letzter Minute hoffen dürfen. "Über Jahre hinweg gewachsene Bande zwischen der Zivilgesellschaft Chinas und den demokratisch geformten Gesellschaften des Westens sind offensichtlich nicht mehr gewollt", sagt Sausmikat. "Diese Brücken zu Europa drohen eingerissen zu werden. Das ist katastrophal."

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