Wiesbaden (dpa) - Im vergangenen Jahr waren in Deutschland knapp 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren armutsgefährdet. Das entspricht einer Armutsgefährdungsquote von 14,8 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Wie stark Kinder und Jugendliche von Armut bedroht sind, hänge auch von der Bildung ihrer Eltern ab. Nach Angaben der Behörde betrug die sogenannte Armutsgefährdungsquote von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern über einen niedrigen Bildungsabschluss wie etwa einen Haupt- oder Realschulabschluss ohne beruflichen Abschluss als höchsten Abschluss verfügten, im vergangenen Jahr 37,6 Prozent.
Bei den unter 18-Jährigen mit Eltern mit einem mittleren Bildungsabschluss waren hingegen nur 14,5 Prozent armutsgefährdet. In diese Gruppe fallen Eltern mit Bildungsabschlüssen wie einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder dem Abitur. Hatten die Eltern etwa einen Meistertitel oder ein abgeschlossenes Studium, waren nur noch 6,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Armut bedroht.
Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Im vergangenen Jahr lag dieser Wert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1250 Euro netto im Monat, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren waren es 2625 Euro netto im Monat.
Von Generation zu Generation weitergegeben
Hinter der Statistik sehen Wissenschaftler das Risiko regelrechter Armutskreisläufe, die von Generation zu Generation weitergegeben werden - nach dem Motto: Die Kinder wachsen in Armut auf, sind später aber auch selbst an höheren Schulen unterrepräsentiert und erreichen häufiger keinen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern.
„Die Bildung der Eltern ist der wichtigste sozioökonomische Faktor für das Umfeld, in dem ihre Kinder aufwachsen“, betont Mathias Huebener, Leiter der Forschungsgruppe Bildung und Humanvermögen beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Daneben habe der Bildungsstand der Eltern auch einen starken Einfluss auf die Bildungschancen der Kinder und auf deren Entwicklungsmöglichkeiten.
„Die eklatanten Unterschiede zeigen sich bereits weit vor der Einschulung“, so Huebener. Kinder von Eltern mit geringer Bildung kämen häufiger mit einem geringeren Geburtsgewicht oder frühzeitig zur Welt, die Mütter rauchten häufiger in der Schwangerschaft oder tränken Alkohol. Ohnehin sei in der Debatte um Bildung und Armut viel zu selten von gesundheitlichen Aspekten die Rede: „Bei der Wahrscheinlichkeit, dass Kinder rauchen, gibt es gigantische Unterschiede zwischen Hauptschulen und Gymnasien.“
Hürden der Anmeldung
Zudem besuchten armutsgefährdete Kinder aus Familien mit niedrigem Bildungsstand, die am meisten von einem Kita-Besuch profitieren könnten, häufig keine Kita, weil die Hürden für eine Anmeldung für ihre Eltern zu hoch seien. Hinzu kämen Mehrfachnachteile, wenn die Eltern beispielsweise nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, alleinerziehend sind und wegen der Kindesbetreuung nicht arbeiten könnten. Dabei könnten die Kinder in einer Kita nicht nur sprachlich profitieren. „Der Zugang zu einer Kita ist ein Schlüssel, um Kinder aus Armut zu befreien“, sagt Huebener. Oft hätten Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsstand bereits bei der Einschulung Entwicklungsnachteile in ihrer Motorik und Sprachvermögen.
Schon jetzt leben insbesondere in Großstädten mehr als ein Drittel der Kinder in sozialen Brennpunkten in Armut, sagt Michael Wrase vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Auch er spricht sich für frühzeitige Investition in Bildung aus, um Chancen für armutsgefährdete Kinder und Jugendliche zu verbessern. Wrase verweist etwa auf positive Erfahrungen in britischen Großstädten, als in der Zeit von New Labour etwa massiv in die Modernisierung von Brennpunktschulen investiert wurde. In Deutschland sieht der Wissenschaftler da noch zu wenig finanzielle Mittel, um die Startchancen benachteiligter Kinder und Jugendlicher zu verbessern.
„Das ist auch ein Gebot der Vernunft“, betont Wrase mit Blick auf den Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren noch weiter verstärken werde. Schon allein aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei es eine lohnende Investition, wenn armutsgefährdete Kinder der Gegenwart in der Zukunft Fachkräfte seien und nicht selbst staatliche Hilfen beziehen müssten wie ihre Eltern.
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