Süddeutsche Zeitung

Gescheitertes EU-Abkommen:Spalter Putin erreicht sein Ziel

Seit der orangefarbenen Revolution kämpft der Westen um Reformen in der Ukraine - und ist damit vorerst gescheitert. Das Assoziierungsabkommen mit der EU liegt auf Eis. Damit zieht Russlands Präsident Putin Kiew auf seine Seite und vollendet sein spalterisches Werk: Er will die Konfrontation, weil nur die harte Abgrenzung sein Regime schützt.

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine kommt nicht zustande. Das ist die blanke wie ernüchternde Botschaft nach - ja, nach eigentlich wie viel Jahren des Werbens, Verhandelns, Feilschens?

Seit der Präsidentschaftswahl 2004 und der orangefarbenen Revolution kämpft der Westen um Rechtsstaatlichkeit, Reformen, Marktwirtschaft und die Öffnung in der Ukraine. Tatsächlich aber geht es um noch mehr. Die Ukraine selbst ringt um ihre Identität, ihre historische Verankerung, ihre politische Zugehörigkeit. Sie glaubt sich entscheiden zu müssen zwischen dem Westen oder Russland. Die Alternative ist konstruiert und wirkt wie Gift.

Timoschenkos Schicksal steht nicht im Mittelpunkt

Die EU tut nun gut daran, in den letzten verbleibenden Tagen bis zum Gipfeltreffen mit den Nachbarn im Osten die Prinzipien aufrechtzuerhalten, die bisher für eine engere Anbindung galten. Rechtsstaatlichkeit und Reformen wirken wie ein Magnet. Wer aber den Charakter der Rechtsgemeinschaft EU nicht akzeptiert, kann sich dort auch nicht zugehörig fühlen. Das Schicksal Julia Timoschenkos steht da nicht im Mittelpunkt, so hart dies klingen mag. Ihre Freilassung wäre zwar eine wünschenswerte humanitäre Geste. Besser wäre es aber, wenn das Rechtssystem der Ukraine selbst in der Lage wäre, ihren komplexen Fall fair aufzuarbeiten.

Wenn das Abkommen nun nicht zustande kommt, ist der politische Schaden für die EU beklagenswert, aber zu verkraften. Anders als der russische Präsident Wladimir Putin darf die EU ihre Nachbarschaftspolitik nicht als blanken Wettbewerb um Einfluss und Macht verstehen.

Wer dem Rechtsraum EU angehören wollte, der kam immer aus eigenem Antrieb und mit Leidenschaft, der brachte die Kraft zu Reformen gerne auf. Die Ukraine ist noch nicht so weit. Das Land wird so lange nicht an die EU heranrücken, wie Russland keinen positiven und Testosteron-reduzierten Umgang mit dem Westen gefunden hat. Unter Präsident Putin ist das nicht mehr zu erwarten.

Furcht vor der reformatorischen Kraft der EU

Putin war es, der in geradezu diabolischer Art ein Dreiergespräch über das Schicksal der Ukraine vorschlug, als schriebe man das Jahr 1939 und könne Territorien zuschanzen wie einst Hitler und Stalin. Den Menschen nicht nur in der einst polnischen Westukraine sondern überall im aufgeklärten Europa müssen die Ohren klingen. Putins spalterisches Werk erreicht vorläufig sein Ziel: Er will die Konfrontation, weil nur die harte Abgrenzung sein autoritäres System schützt. Kratzt der Rechtsstaat erst an seine Tür und schwappen die Werte der EU bis nach Russland, dann wird auch der Osten Europas infiziert werden von der reformatorischen Kraft, die in der Gemeinschaft steckt.

Seit Jahrhunderten verlaufen kulturelle, sprachliche und religiöse Bruchlinien durch das Territorium, auf dem sich heute die Ukraine befindet. Aber Europa hat an vielen anderen Plätzen gezeigt, dass es seinen historischen Ballast abwerfen kann. Die Ukraine hat ihren Platz in Europa. So wie Russland auch.

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Quelle:
SZ vom 22.11.2013/mane
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