Süddeutsche Zeitung

Gerichtsurteil zu Referendum:EU besorgt über Hilferuf aus Rumänien

Bleibt Rumäniens Präsident im Amt oder nicht? Darüber soll jetzt das Verfassungsgericht entscheiden. Doch die Richter schlagen Alarm, weil sie angeblich von Basescus politischen Gegnern bedroht werden. Nun soll die EU-Kommission helfen.

Die politischen Machtspiele in Rumänien nehmen kein Ende: Der Präsident des Verfassungsgerichts, Augustin Zegrean, hatte in einer "dringenden Mitteilung" an die EU-Kommission, den Europarat und den UN-Kommissar für Menschenrechte über massive Einmischung des sozialistischen Regierungschefs Victor Ponta in Entscheidungen des Gerichts geklagt.

Das Verfassungsgericht will am 31. August darüber entscheiden, ob die von Ponta veranlasste Volksabstimmung über die Amtsenthebung des konservativen Staatspräsidenten Traian Basescu ungültig ist oder nicht. Damit soll es auch endlich eine Antwort auf die Frage geben, Basescu bis 2014 im Amt bleibt. Die Wahlleitung hatte vor gut einer Woche erklärt, er habe das Referendum überstanden, weil weniger als 50 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hätten.

Richter werden bedroht

Zegrean informierte in seiner "dringenden Mitteilung" darüber, dass einer der Richter nicht abstimmen wolle, weil er und seine Familie bedroht worden seien. Der Gerichtspräsident listete auch eine Reihe von anderen Fällen auf. Eine Richterin sei "ernsthaft bedroht" worden, bei einem anderen Richter habe die Regierung die Rechtmäßigkeit der Ernennung bestritten. Zudem habe der von Ponta eingesetzte Interims-Präsident Crin Antonescu erklärt, die Regierung werde ungeachtet der Meinung des Gerichts an der Amtsenthebung Basescus festhalten.

Die für Grundrechte zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding versicherte Zegrean in einem am Dienstag in Brüssel veröffentlichten Schreiben, die EU-Kommission verfolge die Lage in Rumänien "sehr aufmerksam" und sei "entschlossen, die Respektierung der Rechtsstaatlichkeit und der Unabhängigkeit der Justiz in Rumänien zu garantieren". Sie sei "besonders besorgt" über die Drohungen gegen Richter. "Ich möchte daran erinnern, dass Politiker nicht versuchen dürfen, Richter vor anstehenden Entscheidungen einzuschüchtern und Richter nicht wegen Entscheidungen, die ihnen nicht gefallen, angreifen dürfen."

Regierungschef Ponta und Präsident Basescu stehen seit Wochen im Mittelpunkt innenpolitischer Machtkämpfe. Basescu, der seit 2004 im Amt ist, erfreut sich in Rumänien nicht gerade großer Beliebtheit. Menschenrechtler werfen ihm vor, ein halbautoritäres System errichtet zu haben, dass zum Auslöser einer fast unerträglichen wirtschaftlichen Krise geworden sei. Er habe die im Land herrschende Korruption und politische Cliquenwirtschaft nicht bekämpft, sondern unterstützt. 90 Prozent derjenigen, die für das Referendum an die Wahlurnen gingen, wollten den Präsidenten abwählen.

Ponta hatte Besserung gelobt

Dennoch ist das Zustandekommen der Abstimmung fragwürdig: Anfang Juli leitete das Parlament auf Betreiben von Ponta ein Amtsenthebungsverfahren gegen Basescu ein. Damit setzten sich die Abgeordneten über ein Gutachten des Verfassungsgerichtshofs hinweg, aus dem hervorgeht, dass dem Präsidenten keine schwerwiegenden Verstöße gegen die Verfassung angelastet werden können, die eine Amtsenthebung rechtfertigen.

Damit löste Ponta, der erst seit Mai im Amt ist, besonders bei der EU-Kommission Unbehagen aus. In ihrem aktuellen Bericht über die Fortschritte Rumäniens seit dem EU-Beitritt, stellt sie dem Land ein schlechtes Zeugnis aus: "Die derzeitigen Kontroversen stellen eine ernsthafte Bedrohung für den bereits erzielten Fortschritt dar und werfen ernste Fragen auf, was die Zukunft bereits begonnener Reformen angeht", heißt es. Bezüglich Ponta bestünde "ernsthafte Sorge", ob seine Regierung die demokratischen Prinzipien respektiere.

Nach dieser Rüge gelobte Ponta Besserung. In einem Brief an den Präsidenten der EU-Kommission, José Manuel Barroso versicherte er, die Regierung werde "die Entscheidung des Verfassungsgerichts in Übereinstimmung mit der Verfassung, den Gesetzen und dem Wahlrecht Rumäniens akzeptieren." Die jüngsten Entwicklungen lassen an diesem Versprechen jedoch Zweifel aufkommen.

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