Gericht:Scharfe Spüraugen im NSU-Prozess

Fortsetzung NSU-Prozess

Die neuen Erkenntnisse belasten auch Beate Zschäpe.

(Foto: dpa)
  • Ein Bilder-Vergleich zeigt mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit", dass Holger G. mit dem NSU-Trio im Urlaub war.
  • Die Fotos belasten auch die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. Diese hatte zuvor erklären lassen, dass es keinen gemeinsamen Urlaub mit G. gegeben habe.
  • G. ist angeklagt, dem Trio Ausweispapiere und eine Waffe beschafft zu haben.

Von Tanjev Schultz

Auf einem Urlaubsfoto des mutmaßlichen NSU-Trios ist mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" auch der mitangeklagte Holger G. zu sehen. Das hat eine Sachverständige des Bundeskriminalamts am Mittwoch im NSU-Prozess ausgesagt. Sie hatte die Lichtbilder mit anderen Fotos, die G. zeigten, verglichen.

Im Gericht entwickelte sich eine Lehrstunde über die Leistungen der Wissenschaft für Kriminalisten. Demnach stimmen mindestens 26 Gesichtsdetails der zu identifizierenden Person, die eine Sonnenbrille trug, mit den Merkmalen von Holger G. überein. Im Gerichtssaal wurden Fotos des Gesichts an die Wände projiziert, auf denen die Gutachterin zahlreiche Pfeile eingetragen hatte. Nach ihren detailreichen Ausführungen über Hautbesonderheiten, über Mund, Nase und Ohren wagte es niemand der Verfahrensbeteiligten, die geballte Expertise in Zweifel zu ziehen.

Die Bilder belasten nicht nur Holger G. sondern auch Beate Zschäpe

Das Ermittlungsergebnis belastet Holger G., aber auch die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. Sie ist sichtlich entspannt auf mehreren Urlaubsfotos aus der Serie zu sehen, unter anderem auf einer Promenade und auf einem Campingplatz. Auf einem Foto ist der Marktplatz von Lübeck zu erkennen. Die Fotos sollen aus dem Sommer 2006 stammen; sie sind erst spät im NSU-Verfahren Thema geworden.

Holger G. hatte in einer Erklärung zu Beginn des Prozesses angegeben, er habe sich bereits 2004 aus der rechten Szene gelöst. Es habe allerdings noch Treffen mit den mutmaßlichen Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gegeben, diese hätten überwiegend bei ihm zu Hause in Niedersachsen stattgefunden. Zschäpe hatte im Gericht durch ihren Anwalt erklären lassen, in den Jahren 2005 bis 2009 hätten sich Mundlos und Böhnhardt nur allein mit Holger G. getroffen. Es habe keinen gemeinsamen Urlaub mit G. mehr gegeben.

Der Angeklagte soll eine Waffe besorgt haben - doch vom NSU will er nichts gewusst haben

Im Prozess ist G. angeklagt, weil er den NSU mit Ausweispapieren und einer Waffe ausgestattet haben soll. Im Sommer 2006 hatten Mundlos und Böhnhardt nach dem Stand der Ermittlungen bereits neun Migranten ermordet. Holger G. will von den Taten nichts gewusst haben. Er habe dem untergetauchten Trio zwar geholfen, um den dreien nach ihrer Flucht vor der Polizei einen Freundschaftsdienst zu erweisen. Vom NSU und der Bildung einer terroristischen Vereinigung will er jedoch nichts erfahren haben.

Holger G. gehörte bereits zum Freundeskreis des Trios in Jena, bevor er nach Niedersachsen zog und weiter Kontakt zu ihm hielt. Noch im Jahr 2011 - wenige Monate, bevor der NSU aufflog - soll es ein Treffen des Trios mit Holger G. gegeben haben. Dabei soll es darum gegangen sein, einen neuen Reisepass für Böhnhardt auf den Namen von G. ausstellen zu lassen, da der bis dahin genutzte Pass seine Gültigkeit verlor. Zschäpe will den Pass für Böhnhardt abgeholt haben.

Zschäpes Verteidiger Mathias Grasel kündigte an, er werde kommende Woche und nach der Sommerpause mitteilen, ob und gegebenenfalls wann seine Mandantin noch ausstehende Fragen beantworten werde. Ein psychiatrischer Gutachter und die Nebenkläger hatten zahlreiche Fragen an Zschäpe gestellt.

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