Berlin (dpa/bb) - Nach einem Polizeieinsatz bei einer Straßenblockade ist ein Klima-Demonstrant gerichtlich gegen einen sogenannten Schmerzgriff vorgegangen - und zunächst gescheitert. Das Verwaltungsgericht Berlin wies die Beschwerde des Mitglieds der Klimagruppe Letzte Generation im Eilverfahren ab, wie ein Justizsprecher am Donnerstag mitteilte. Ob das polizeiliche Einschreiten rechtswidrig war, könne nur im Rahmen einer Klage im Hauptsacheverfahren und nicht per einstweiligem Rechtsschutz geklärt werden, hieß es. Auch der Versuch, die Polizei zum Unterlassen des Schmerzgriffes zu verpflichten, scheiterte.
Eine „vorbeugende Unterlassung“ sei ebenfalls nicht im Eilverfahren möglich, weil eine konkrete Wiederholungsgefahr fehle, hieß es vom Gericht. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts könne Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) erhoben werden.
Darauf werde verzichtet, teilte Sprecherin Carla Rochel von der Letzten Generation auf Anfrage mit. Um eine möglichst schnelle Entscheidung zu bekommen, solle Klage in der Hauptsache erhoben werden. „Damit wollen wir endlich inhaltlich klären, ob eine solche Anwendung von Schmerzgriffen verhältnismäßig ist oder ob es nicht einfach Folter ist, einen Menschen durch das Zufügen von Schmerzen zu einer Handlung zu bewegen“, so Rochel. Dabei werde die Gruppe unterstützt von einem Bündnis, das sich für Freiheitsrechte einsetze.
Vor Gericht gezogen war nach übereinstimmenden Angaben der Gruppe und der Polizei ein Klimaaktivist, der auf einem Videomitschnitt im Zusammenhang mit einem Klimaprotest am 20. April zu sehen ist. Zu dem Vorgang hatte die Polizei am 22. April bei Twitter mitgeteilt, dass sie das im Netz kursierendes Video prüfe. Später hieß es, es sei eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt eingeleitet worden. „Die Ermittlungen dazu dauern an“, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag.
Das Video zeigt den jungen Mann, der auf der Straße sitzt und so den Verkehr blockiert. Zu sehen ist ein Polizist, der ihn auffordert, von der Fahrbahn zu gehen. „Dann bitte ich Sie jetzt, rüber zu gehen, sofort. Ansonsten werde ich Ihnen Schmerzen zufügen“, sagt der Beamte klar hörbar. Der Aktivist antwortet: „Ich sitze hier friedlich und Sie wollen mich einfach wegtragen.“ Daraufhin zählt der Polizist von drei runter und hebt den Mann dann gemeinsam mit einem Kollegen von der Straße. Im Video ist zu sehen, wie er ihn dabei an Hals und Kinn nach oben zieht. Nach einem Schnitt ist zu sehen, wie die beiden Polizisten versuchen, den Demonstrant von der Straße zu bringen. Sie wenden dabei Griffe an, in deren Folge dieser aufschreit.
Das Video wurde seinerzeit bei Twitter mehrfach gepostet und weiterverbreitet. Die Letzte Generation teilte es ebenfalls, allerdings zunächst ohne eigenen Kommentar. Die Gruppe hat immer wieder auf aus ihrer Sicht hartes Vorgehen der Polizei hingewiesen und dieses kritisiert. Im Zusammenhang mit dem Einsatz am 20. April wollte der betroffene Aktivist nun vom Verwaltungsgericht feststellen lassen, dass die Polizisten damals rechtswidrig gehandelt haben.
Die Letzte Generation macht seit 2022 regelmäßig mit Sitzblockaden auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam. Im April hatten die Klimaaktivisten ihren Protest auf Berlins Straßen intensiviert. Hunderte Polizisten waren im Einsatz, um Blockaden aufzulösen. Dabei wurden laut Gericht ausgesprochene Platzverweise regelmäßig durch bloßes Wegtragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vollstreckt.
Vereinzelt sei dabei die „Handbeugetransporttechnik“ angedroht oder angewendet worden. Diese sei geeignet, beim Betroffenen Schmerzen auszulösen. Anhand des Bildmaterials, das der Klima-Demonstrant vorgelegt habe, ergebe sich nicht, dass die Anwendung „schmerzhafter Vollstreckungspraktiken regelhaft“ erfolge.
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