Man wird schon davon ausgehen dürfen, dass es Gerhard Schröder ums Prinzip geht. Der ehemalige Bundeskanzler hat durch drei Gerichtsinstanzen darum gekämpft, dass ihm Büro und Mitarbeiter aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, aber das wird nicht am Geld gelegen haben – er soll ja nach dem Ende der Kanzlerschaft im Jahr 2005 richtig gut verdient haben. An diesem Donnerstag hat das Bundesverwaltungsgericht nun über den Streit entschieden. Ergebnis: Die Verwaltungsgerichte sind die falsche Adresse für den Rechtsstreit. Über etwaige Rechte und Pflichten eines Altkanzlers könne einzig das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Schröder selbst war nicht zur Verhandlung nach Leipzig gekommen, das hatten seine Anwälte übernommen. Zu den Kuriositäten des Prozesses gehört, dass der wahre Grund für den Entzug der liebgewonnenen Ausstattung seines Altkanzlerdaseins vor Gericht gar keine Rolle spielte. Schröder, der Wladimir Putin zu seinen Freunden zählt, war nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 in die Kritik geraten, weil er von dieser Freundschaft nicht abrücken wollte. Die SPD versuchte ohne Erfolg, ihn aus der Partei zu werfen. Vier seiner Mitarbeiter baten um Versetzung.

Im Mai 2022, nur drei Monate nach Kriegsbeginn, reagierte der Haushaltsausschuss auf die Halsstarrigkeit des Altkanzlers. Er stellte fest, dass Schröder „keine fortwirkende Verpflichtung aus dem Amt mehr wahrnimmt“ und stellte das Büro „ruhend“. Schröder zog vor Gericht, aber Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht wiesen seine Klage ab.
Der Kern des Streites drehte sich um die Frage, ob Schröder deshalb ein Büro mit Personal beanspruchen konnte, weil dies bei den Vorgängern und seiner Nachfolgerin ebenso gehalten wurde. Tatsächlich nahm die bundesrepublikanische Großzügigkeit bei der Ausstattung ehemaliger Regierungschefs über die Jahrzehnte zu. Konrad Adenauer musste sich mit einer Referentenstelle aus dem Bundeshaushalt begnügen, hinzu kam eine von der CDU finanzierte Sekretärin. Ludwig Erhard bekam 1966 ebenfalls einen Referenten sowie eine Sekretärin vom Kanzleramt. Kurz darauf kam ein Fahrer hinzu. Bei Helmut Schmidt war man bereits bei sechs und bei Helmut Kohl bei sieben Stellen angelangt, ebenso viele waren es bis 2019 bei Schröder; zuletzt hatte er noch vier Bedienstete. Angela Merkel verfügt gar über neun Mitarbeiter.
Allerdings war nirgends so richtig geklärt, auf welcher rechtlichen Grundlage diese Ausstattung eigentlich gewährt wird. Gesetzliche Regeln gibt es nicht, einzig Beschlüsse des Haushaltsausschusses. Auch der genaue Zweck blieb lange offen. Sollten Personal und Büro eine Art gehobene Altersversorgung sein? Dankbarkeit für geleistete Dienste? Oder waren Altkanzler und Altkanzlerinnen noch mit einem Fuß im Amt? Erst mit dem Beschluss von 2022 brachte der Ausschuss die „fortwirkenden amtlichen Pflichten“ ins Spiel.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, das zuvor über die Klage zu entscheiden hatte, arbeitete sich an der Frage ab, ob Schröder aus der Staatspraxis in Sachen Altkanzlerbüro ein Gewohnheitsrecht ableiten könne oder einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Das Gericht verneinte dies mit der ein wenig formalistischen Begründung, das der Umfang der Ausstattung doch erheblichen Schwankungen unterlegen habe – darauf lasse sich kein Gewohnheitsrecht stützen. Zugleich ließ das Gericht schon damals anklingen, dass die Sache beim Verwaltungsgericht nicht ganz richtig aufgehoben sei. Was ein Kanzler darf und was er beanspruchen kann, hat eher verfassungsrechtlichen Charakter, hieß das.
So sieht es nun auch das oberste Verwaltungsgericht in Leipzig: Wenn es um eine nachwirkende verfassungsrechtliche Rolle eines Altkanzlers geht, dann muss der Streit vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ausgetragen werden. „Streitigkeiten über spezifisch verfassungsrechtliche Rechte und Pflichten oberster Staatsorgane sind nicht der Fachgerichtsbarkeit zugewiesen“, befand das Bundesverwaltungsgericht.
Damit ist der Streit sozusagen wieder auf null gestellt. Denn ob sich solche Rechte und Pflichten wirklich aus dem Grundgesetz ableiten lassen – und ob damit auch ein Altkanzlerbüro inklusive Personal verbunden ist –, darüber hat das Bundesverwaltungsgericht inhaltlich nicht entschieden. Das müsste nun in Karlsruhe geklärt werden.