Gerhard Schröder:Sanktion aus den eigenen Reihen

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Damals schon nicht mehr im Amt, aber noch in Würden: Gerhard Schröder im September 2008 in seinem Berliner Büro. (Foto: Regina Schmeken)

An diesem Donnerstag soll der Haushaltsausschuss beschließen, dass der Altkanzler seine staatlich finanzierten Mitarbeiter und Arbeitsräume in Berlin verliert. Experten aus der Ampelkoalition verlangen auch, dass diese Privilegien künftig nur noch erhält, wer sich für das Land einsetzt.

Von Constanze von Bullion

Er entwickle sich zur tragischen Figur, sagen die einen. Er sei schlicht untragbar geworden, finden andere. Gerhard Schröder, ehemaliger Bundeskanzler und einst unangefochtene Führungsfigur der deutschen Sozialdemokratie, soll noch in dieser Woche angestammte Kanzlerprivilegien verlieren. Weil er sich nicht ausreichend in den Dienst des Staates stelle, wollen die Haushaltspolitiker der Koalition eine bislang beispiellose Entscheidung treffen.

Der Altkanzler, der seinen Posten als Aufsichtsratschef beim russischen Energiekonzern Rosneft nicht niederlegen will und trotz des Ukraine-Kriegs nicht öffentlich abrückt vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, soll seine staatlich finanzierten Mitarbeiter und Arbeitsräume in Berlin verlieren. Ein Zeichen soll da gesetzt werden, auch für andere Politpensionäre.

Die Finanzierung soll nicht mehr "statusbezogen" sein, fordern die Haushälter

"Gerhard Schröder nimmt keine fortwirkende Verpflichtung aus dem Amt als ehemaliger Bundeskanzler mehr wahr. Somit entfällt der Grund für die personelle und räumliche Ausstattung des ehemaligen Bundeskanzlers", erklärten die haushaltspolitischen Sprecher Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) am Mittwoch im Bundestag. Bei Schröders Ruhegehalt und dem Personenschutz soll es hingegen bleiben.

Am Donnerstag soll der Haushaltausschuss beschließen, was es so noch nicht gab in der Geschichte der Bundesrepublik. Schröders Büro werde "ruhend gestellt", heißt es in einem Beschlusspapier der Koalitionsparteien. Eine Stelle aus dem fünfköpfigen Team in Berlin, auf das der Ex-Kanzler Anspruch hatte, ist bereits weggefallen. Die übrigen Mitarbeiter hatten ihre Tätigkeit nach dem russischen Angriff auf die Ukraine niedergelegt. Sie sollen nun das Büro abwickeln, ihre Stellen sollen nicht mehr nachbesetzt werden. Die Haushälter der Koalition forderten die Bundesregierung außerdem auf, für alle aus dem Amt ausgeschiedenen Kanzler und Kanzlerinnen eine gesetzliche Regelung zu treffen, wonach die Amtsausstattung und Finanzierung von Arbeitsräumen und Personal in Zukunft "nach der fortwirkenden Verpflichtung aus dem Amt erfolgt und nicht statusbezogen".

Mit anderen Worten heißt das: Nur wer sich nach dem Abschied aus dem Amt auch tatsächlich für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland einsetzt, soll das lebenslange Kanzlerprivileg staatlich finanzierter Büroräume und eines Mitarbeiterstabes genießen. Schröders Tätigkeiten der jüngeren Zeit sind nach Auffassung der Koalition nicht als ein solches Engagement zu betrachten. Der Altkanzler soll seit Monaten nicht mehr in seinem Büro Unter den Linden in Berlin gearbeitet haben, heißt es in Koalitionskreisen. Staatspolitische Aufgaben wie das Halten von Reden oder der Besuch von Staatsbegräbnissen im Ausland seien ihm auch nicht übertragen worden. Eine Stellungnahme zu den Vorwürfen war von Schröder zunächst nicht zu erhalten. Eine entsprechende Anfrage blieb am Mittwoch unbeantwortet.

Gerhard Schröder hat nach dem Ende seiner Kanzlerschaft im Jahr 2005 unter anderem Aufgaben für die Pipeline-Gesellschaft Nord Stream, die russische Gazprom und den staatlichen Energiekonzern Rosneft übernommen. Nachdem russische Truppen die Ukraine angegriffen hatten und schwerste Gewaltverbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung bekannt geworden waren, wurde der Altkanzler wiederholt und öffentlich aufgefordert, seinen Aufsichtsratsposten bei Rosneft niederzulegen. Vergeblich. Die Stadt Hannover wollte Schröder wegen seiner Russlandgeschäfte die Ehrenbürgerwürde entziehen. Er kam dem Beschluss zuvor und verzichtete "unwiderruflich" auf die Auszeichnung. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Tätigkeit seines Parteifreundes im russischen Gasgeschäft vor zwei Wochen als untragbar bezeichnet. Inzwischen gibt es mehr als ein Dutzend Anträge in der SPD, Schröder aus der Partei auszuschließen.

CDU und CSU wollen alles bis auf den Personenschutz streichen

Schon am Dienstag hatten auch Vertreter der Union gefordert, Schröder seine Amtsausstattung als Altkanzler zu entziehen. Er könne nicht von zwei Staaten alimentiert werden. CDU und CSU im Bundestag waren sogar noch weiter gegangen als die Koalitionsparteien und hatten beantragt, dem ehemaligen Regierungschef auch die Haushaltsmittel für Versorgungsleistungen und Reisekosten zu streichen. Bis auf den Personenschutz wären damit nahezu alle Versorgungsleistungen als Altkanzler weggefallen. Die Haushälter der Koalition lehnten dies jedoch ab, auch aus juristischen Gründen. Mit gerichtlichen Auseinandersetzungen sei zu rechnen.

"Gerhard Schröder ist nur noch als Lobbyist für russische Staatsunternehmen tätig, nicht mehr im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland", sagte der grüne Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler am Mittwoch. Man habe für das Problem nun "eine sinnvolle und rechtssichere Lösung gefunden". Sie tauge nicht nur für den Einzelfall, sondern sei von grundsätzlicher Natur: "Wer keine Aufgaben mehr für die Bundesrepublik übernimmt, braucht auch keine Amtsausstattung mehr." Bis 1. November soll die Bundesregierung dem Parlament rückmelden, was in der Sache veranlasst worden ist.

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