Als Erstes fällt die Konsequenz auf, mit der Gerd Poppe seinen Weg gegangen ist. Eine Geradlinigkeit, die dazu führte, dass er zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten der Opposition in der DDR wurde. Er engagierte sich schon zu einer Zeit, als nur wenige sich trauten, der SED-Herrschaft entgegenzutreten. Mit seinem Mut, eigene Wege zu gehen, wurde Poppe, der kurz nach seinem 84. Geburtstag am Samstag gestorben ist, zu einem Wegbereiter der friedlichen Revolution.
Er prägte die Bürgerrechtsbewegung der DDR, indem er sich gegen alle Repressionen des Staates Freiräume ertrotzte, um ein eigenständiges Leben zu führen. Politisiert wurde der Physiker im Jahr 1968, als ihn die Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Pakts empörte und er eine Protesterklärung unterzeichnete. Fortan organisierte er Treffen und Lesungen mit kritischen Künstlern in Ostberlin im privaten Rahmen. Als der Liedermacher Wolf Biermann 1976 aus der DDR ausgewiesen wurde, verfasste Poppe einen Protestbrief an den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. In der Folge wurde ihm die zugesagte Anstellung bei der Akademie der Wissenschaften verweigert. Nach diesem faktischen Berufsverbot arbeitete Poppe als Maschinist in einer Schwimmhalle, später im Diakonischen Werk.

Die Ostberliner Wohnung der Familie Poppe wurde ein Zentrum der Opposition in der DDR, der Bürgerrechtler zum Ziel von Repression und Überwachung, rund 30 Bände umfasste seine Stasi-Akte. Er gehörte zu den Gründern der Initiative Frieden und Menschenrechte, die eine der wichtigsten Oppositionsgruppen werden sollte, und beteiligte sich an der Publikation von Zeitschriften im Untergrund. Im Jahr 1989 war Poppe Mitinitiator der Runden Tische, die den Übergang in die Demokratie umsetzten. In der Endphase der DDR war Poppe Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung Modrow, nach der Wiedervereinigung Abgeordneter für Bündnis 90 im Bundestag.
Als 1998 die rot-grüne Bundesregierung erstmals einen Menschenrechtsbeauftragten ernannte, war Poppe die logische Wahl – „ein Mann der klaren Prinzipien und zugleich der stillen Vermittlung“, wie die Bundesstiftung Aufarbeitung ihn beschreibt –, einen nicht lautstarken, aber beharrlichen Mann, dessen Kampf für Menschenrechte nicht mit dem Ende der Diktatur endete. Als einen „wunderbaren, klugen und immer freundlichen Kämpfer für die Freiheit“ würdigt die Grüne Katrin Göring-Eckardt ihn auf X. Seine Entschlossenheit habe ansteckend gewirkt, „nicht weil er ein großer Anführer war, sondern ein überzeugender Diskutant“.