Hartz-IV-Gespräche gescheitert: Reaktionen:Schwesig: Scheitern im Auftrag der Kanzlerin

SPD-Verhandlungsführerin Schwesig macht die Kanzlerin persönlich für das Scheitern der Hartz-IV-Gespräche verantwortlich. Merkel sei eine "eiskalte Machtpolitikerin". Arbeitsministerin von der Leyen hält dagegen.

Nach den gescheiterten Verhandlungen über die Hartz-IV-Reform hat SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig Kanzlerin Angela Merkel persönlich für den Misserfolg verantwortlich gemacht. Bei den Gesprächen am Dienstag sei "ganz deutlich zu spüren" gewesen, dass Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die FDP "den klaren Auftrag der Kanzlerin hatten, diese Verhandlungen zum Scheitern zu führen", sagte Schwesig am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin.

Neue Verhandlungsrunde zu Hartz IV gescheitert

Hat die Schuldige am Scheitern der Hartz-IV-Gespräche schon ausgemacht: SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig erhebt schwere Vorwürfe gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

(Foto: dpa)

Von der Leyen gibt dagegen SPD und Grünen die Schuld, weil sie die Hartz-IV-Sätze noch stärker als geplant erhöhen wollten. Trotz des Scheiterns der Gespräche hoffe sie, dass der Bundesrat ihrem Vorschlag zustimme, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch ebenfalls im ZDF. "Das Angebot ist da. Es kann sofort umgesetzt werden." Sie glaube an das verantwortungsvolle Verhalten aller Ministerpräsidenten.

Hoffen auf das Saarland

Die Länderkammer, in der Union und FDP keine eigene Mehrheit haben, stimmt am Freitag über den Vorschlag der Regierung ab, der eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze und ein Bildungspaket für Kinder enthält. Die Regierung spekuliert, dass ein finanzschwaches Land oder das von CDU, FDP und Grünen regierte Saarland dem Vorhaben zu einer Mehrheit verhilft. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sagte: "Ich schließe nicht aus, dass im Bundesrat der ein oder andere Ministerpräsident der SPD-Seite angesichts der umfangreichen Angebote der Koalition doch noch zustimmt."

Sigmar Gabriel will diese Hoffnungen im Keim ersticken. Der "Versuch, da jemand rauszubrechen", werde scheitern, so der SPD-Parteichef. Er habe mit den SPD-Politikern in den Ländern abgestimmt, dass es bei der Reform der Bezüge für Langzeitarbeitslose "keinen Millimeter mit uns in die falsche Richtung" gehe. Von der SPD lasse sich "niemand rauskaufen".

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, die Koalition habe den Frieden in den eigenen Reihen über die Interessen der Menschen gestellt. Die FDP habe blockiert und keine Anhebung der Regelsätze über die vorgeschlagenen 5 Euro auf 364 Euro im Monat mitgemacht. "Wir wollten und wir wollen eine Einigung", betonte Steinmeier.

Auch Schwesig betonte, die SPD sei der schwarz-gelben Koalition entgegengekommen und habe "ein Angebot unterbreitet, das wirklich sehr weitreichend ist". Statt auf ihrer Forderung zu bestehen, bis 2014 insgesamt 40.000 Schulsozialarbeiter zur Umsetzung des Bildungspakets einzustellen, habe ihre Partei einen Einstieg mit 5000 Schulsozialarbeitern vorgeschlagen. Die Koalition habe aber keinen einzigen Pädagogen zusagen wollen.

Außerdem war die SPD laut Schwesig bereit, anstelle einer deutlicheren Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze die Mobilität von Hartz-IV-Empfängern durch die Bewilligung von Monatskarten für öffentliche Verkehrsmittel zu fördern. Auch das habe die Koalition abgelehnt.

Die SPD habe nicht weiter gehen können, weil sie den Bürgern versprochen habe, "keine faulen Kompromisse zu machen", sagte Schwesig. Sie warf Merkel vor, "eine eiskalte Machtpolitikerin" zu sein.

Nachdem die FDP sich weiterhin gegen Schulsozialarbeiter, eine weitergehende Regelsatz-Erhöhung und den Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche Arbeit gewehrt habe, sei "die Kanzlerin eingeknickt, weil sie Ruhe haben will". Damit habe sie "zwei Millionen arme Kinder und eine Million Zeit- und Leiharbeiter verraten. Das finde ich skandalös," fügte die SPD-Politikerin hinzu.

Linken-Chef Ernst wirft FDP Sozialrassismus vor

Schwesig forderte die Bundesregierung nun auf, die vorgesehene Erhöhung des Regelsatzes um fünf Euro zunächst vorläufig umzusetzen. Die Bundesregierung sei in der Pflicht, auch die fünf Euro auszuzahlen und das Bildungspaket in Kraft zu setzen.

Wie von der Leyen will auch die stellvertretende SPD-Chefin ihren Vorschlag zur Hartz-IV-Reform dem Vermittlungsausschuss und am Freitag dem Bundesrat zur Abstimmung vorzulegen.

Ernst beklagt fehlenden Einigungswillen

Die Linke, die an den Gesprächen nicht beteiligt war, wirft sowohl der Koalition als auch SPD und Grünen mangelnden Einigungswillen vor. "Das war Nachtschattenboxen auf hohem Niveau", kommentierte Linken-Parteichef Klaus Ernst. Die Parteien hätten vor der Hamburg-Wahl keine Einigung gewollt.

Ernst unterstellte der FDP, sie wolle mit Sozialrassismus Wahlkampf machen. SPD und Grüne hätten Angst vor der Wut der Menschen, weil sie nicht für echte Verbesserungen kämpften. Die Position der Betroffenen habe in den nächtlichen Gesprächen niemand vertreten. Es sei gut, wenn das Regierungspaket im Bundesrat scheitere.

Er hoffe, dass die schwarz-gelb-grüne Koalition im Saarland in der Länderkammer nicht noch umfalle, sagte der Linken-Chef. Ernst geht davon aus, dass Hartz-IV-Empfänger jetzt "massenhaft" klagen werden. Dann sei es an den Sozialgerichten, nach transparenten Kriterien festzulegen, wie hoch ein verfassungsfester Regelsatz sein müsse.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband gibt der Koalition die Schuld am Scheitern der Gespräche. "Die Bundesregierung ist für das Scheitern verantwortlich. Die Opposition konnte den Vorschlägen überhaupt nicht zustimmen, da dieser Regelsatz nach Ansicht nahezu aller Experten nicht verfassungskonform ist. Auch ein Ministerpräsident Müller aus dem Saarland, auf den die Kanzlerin jetzt offensichtlich setzt, wird keinem verfassungswidrigen Gesetz zustimmen können", betont Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen. Schneider empfiehlt allen Betroffenen, Anträge auf einen höheren Regelsatz und Bildungsleistungen für ihre Kinder zu stellen und bei Ablehnung zu klagen.

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