Geplantes Freihandelsabkommen:Obamas Charme, Europas Skepsis

Geplantes Freihandelsabkommen: US-Präsident Barack Obama zusammen mit José Manuel Baroso (links) und Herman Van Rompuy (rechts) in Brüssel

US-Präsident Barack Obama zusammen mit José Manuel Baroso (links) und Herman Van Rompuy (rechts) in Brüssel

(Foto: AFP)

Europa misstraut den USA wegen der NSA-Affäre. Ausgerechnet jetzt will Präsident Obama die EU-Staaten für ein transatlantisches Freihandelsabkommen gewinnen. Dafür braucht es mehr als nette Worte und halbherzige Entschuldigungen.

Ein Kommentar von Ulrich Schäfer

Wirtschaft ist Macht. Das weiß Barack Obama, das wissen die europäischen Staats- und Regierungschefs, und deshalb drohen sie Wladimir Putin vor allem mit wirtschaftlichen Sanktionen. Denn das träfe Russland dort, wo es besonders empfindlich ist: beim Geld.

Wirtschaft ist Macht. Das weiß aber auch Putin. Deshalb liefert Russland den Europäern liebend gerne Gas und Öl, und deshalb hat Putin vor ein paar Jahren den EU-Staaten angeboten, doch eine europäisch-russische Freihandelszone zu gründen. Sie sollte von Lissabon bis Wladiwostok reichen und allen mehr Wohlstand bringen. Doch die Europäer ließen ihn kühl abblitzen. Danke! Nächstes Thema, bitte!

NSA-Affäre erschütterte Beziehungen zwischen EU und USA

Nicht ganz so reserviert, aber doch sehr skeptisch reagierten die Europäer, als Obama im vergangenen Sommer dafür warb, eine transatlantische Freihandelszone zu schaffen. Also ein Abkommen zwischen Europa und den USA, in dem es - anders als bei Putin - nicht bloß um den freien Warenverkehr gehen soll, sondern auch um Investitionen, den freien Fluss von Geld, um damit Fabriken und Firmen zu schaffen.

Der Zeitpunkt dafür war denkbar schlecht, denn damals erschütterten die NSA-Enthüllungen die Beziehungen zwischen den USA und Europa. So etwas tut man nicht unter Freunden, urteilte die Kanzlerin über das Abhören von Telefonkabeln, Internet und Handys. Manch einer nahm es auch flugs als Signal für die Verhandlungen für das Freihandelsabkommen: So etwas tut man nicht, so etwas wird nicht verhandelt, solange man der anderen Seite zutiefst misstrauen muss.

Abkommen soll Ende 2015 stehen

Obama bemühte sich am Mittwoch bei seinem Besuch in Brüssel darum, dieses Misstrauen zu zerstreuen. Schon im vorigen Sommer hatte er von den großen Chancen geschwärmt, die dieses Abkommen biete, von zusätzlichen Jobs und zusätzlichem Wachstum. Die Europäer sehen das mit den Chancen im Grunde ähnlich, auch in Brüssel kursieren Berechnungen, nach denen ein gemeinsames Abkommen Millionen neue Stellen bringen könnte. Wie viele es am Ende sein werden, weiß niemand genau; schließlich weiß ja auch noch keiner, wie das Abkommen aussehen wird. Ende 2015 soll es stehen - ein kühner Plan angesichts der vielen komplizierten Fragen, die dabei zu klären sind.

Denn es geht nicht bloß darum, ein paar Zölle zu senken (die zwischen Europa und den USA ohnehin niedrig sind), sondern vor allem darum, Millionen Rechtsvorschriften anzugleichen oder gegenseitig anzuerkennen. Vieles davon ist sinnvoll: So ist es zum Beispiel widersinnig, dass deutsche Autohersteller für den amerikanischen Markt andere Spiegel oder Blinker anfertigen müssen - und umgekehrt. Aber die Europäer sperren sich zum Beispiel zu Recht dagegen, amerikanischen Investoren das Recht einzuräumen, den Staat auf Schadenersatz in Milliardenhöhe zu verklagen, wenn dieser seine Gesetze ändert.

Kein überregulierter, übersozialer Kontinent

Obama wird deshalb, wenn er die Europäer für ein Abkommen gewinnen will, mehr tun müssen, also bloß mit netten Worten dafür zu werben und sich halbherzig für die NSA-Abhöraktionen zu entschuldigen. Die USA werden sich auch in den Verhandlungen zurücknehmen müssen. Derzeit treten deren Unterhändler und Diplomaten sehr forsch auf; viele in Europa - in der Politik, aber auch bei den Nichtregierungsorganisationen, wo man die Verhandlungen kritisch verfolgt - haben die Sorge, dass Washington kompromisslos seine Positionen durchsetzen will. Und keine Rücksicht darauf nimmt, dass Europa ein anderes Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell hat.

Doch das Freihandelsabkommen wird nur gelingen, wenn die Amerikaner darauf eingehen. Und wenn sie anerkennen, dass Europa entgegen allen Vorurteilen, die in den USA gepflegt werden, eben kein überregulierter, übersozialer Kontinent ist.

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