Geplantes Atomendlager Gorleben:Gutachten von guten Freunden

"Da fällt einem die Kinnlade runter": Das Umweltministerium lässt wieder einmal das mögliche Atomendlager Gorleben begutachten. Dabei verlässt es sich auf den Rat der Atomindustrie - und altbekannter Gorleben-Freunde.

Michael Bauchmüller

Bei der Begutachtung des geplanten Atomendlagers in Gorleben will sich die Bundesregierung auf den Rat der Atomindustrie und altbekannter Gorleben-Freunde verlassen. Das Bundesumweltministerium bestätigte am Mittwoch einen entsprechenden Bericht des Nachrichtenmagazins Stern. Demnach hat die Kölner Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS), die für knapp neun Millionen Euro eine "vorläufige Sicherheitsanalyse" über Gorleben anfertigen soll, den Auftrag weitergereicht - unter anderem an ein Tochterunternehmen der Energiewirtschaft. So soll ein Teil des Gutachtens von der DBE Tec vorbereitet werden, einer Tochter der Gorleben-Baufirma DBE. Die wiederum gehört zu drei Vierteln der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), die ihrerseits in Händen der vier deutschen Kernkraftbetreiber liegt. Sie sind verschachtelt, die Zusammenhänge in der Branche.

Will Röttgen Sicherheit bei Atom-Endlager senken?

Bergarbeiter sind mit Instandhaltungsarbeiten im Erkundungsbergwerk in Gorleben beschäftigt. Bei einer neuerlichen Begutachtung des geplanten Atomendlagers will sich die Bundesregierung auf den Rat der Atomindustrie und altbekannter Gorleben-Freunde verlassen.

(Foto: dpa)

Zu den Gutachtern, die sich die Kölner GRS suchte, wird auch Bruno Thomauske gehören, langjähriger Fachmann des Bundesamtes für Strahlenschutz und seinerzeit bekannt als glühender Befürworter Gorlebens. Nach seiner Zeit beim Bundesamt wechselte Thomauske zum Energiekonzern Vattenfall, dessen Kernkraftsparte er vier Jahre lang leitete - bis im Juli 2007 ein Brand das Vattenfall-Kernkraftwerk Krümmel lahmlegte. Thomauske nahm seinerzeit seinen Hut und trat Ende 2008 eine Professur an der Technischen Universität Aachen an. Nach Informationen des Stern wird sein Lehrstuhl für nuklearen Brennstoffkreislauf von RWE gesponsert. Den Lehrstuhl eines weiteren Experten von der Uni Clausthal trägt die brancheneigene Gesellschaft für Nuklear-Sicherheit.

Die "vorläufige Sicherheitsanalyse" wird für die Zukunft Gorlebens nicht unerheblich sein. In ihr sollen die Experten zusammentragen, was an Erkenntnissen zu Gorleben vorliegt. Ziel sei eine "nachvollziehbar dokumentierte Prognose über die Eignung des Standorts Gorleben", heißt es in einem GRS-Papier. Auch soll sie offene Fragen formulieren, die vor einer endgültigen Entscheidung pro oder contra Gorleben zu beantworten sind. Das Gutachten, das Ende 2012 vorliegen soll, wird auch Grundlage einer internationalen Expertenkommission, die den deutschen Weg hin zum Endlager beäugen soll. "Sie werden dann bewerten können, ob unser Vorgehen in Gorleben Hand und Fuß hat", sagte ein Sprecher der GRS.

Gorleben-Gegner kritisierten die Berufung der Gutachter am Mittwoch scharf. So wirkt der Name Thomauske in der Anti-Atom-Bewegung wie ein rotes Tuch. "Da fällt einem die Kinnlade runter", sagt Wolfgang Ehmke, Kopf der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. "Und wir sind einiges gewohnt." Der Standort Gorleben ist seit mehr als 30 Jahren hoch umstritten. Kritiker vermuten, dass das Endlager ungeachtet seiner Eignung durchgesetzt werden soll.

Umweltministerium und GRS dagegen halten an der Berufung der Experten fest. "Wir sind darauf angewiesen, Experten mit den höchsten Kompetenzen ins Boot zu holen", sagte eine Ministeriumssprecherin. Thomauske sei ein anerkannter Fachmann auf seinem Gebiet. Im Übrigen sei nach elf Jahren Unterbrechung der Erkundungsarbeiten im Salzstock "der Kreis der Experten nicht mehr sehr groß." Am 1. Oktober sollen Bagger und Fräsen die Erkundung wieder aufnehmen.

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