Süddeutsche Zeitung

Geplante Koranverbrennung:Entrüstung, überall

"Schändlich", "gefährlich", "idiotisch": Politiker und Religionsvertreter haben den Plan US-Evangelikaler gegeißelt, das heilige Buch der Muslime zu verbrennen. Die Islam-Hasser reagierten inzwischen auf die weltweite Empörung.

Die Entrüstung über eine geplante Koranverbrennung in den USA wächst: Regierung, führende Generäle und Kirchenführer verurteilen die Aktion.

US-Justizminister Eric Holden nannte das Vorhaben "idiotisch und gefährlich". In Washington verurteilten auch religiöse Führer die Verbrennung des heiligen Buches der Muslime. Es handele sich zum ein "besonders ungeheuerliches" Vorhaben, meinten muslimische, christliche und jüdische Vertreter. Auch mit Blick auf die hitzige Debatte über den geplanten Bau eines muslimischen Kulturzentrums nahe dem Ort der verheerenden Anschläge vom 11. September in New York mahnten sie religiöse Toleranz in den USA an. Sie beklagten eine "steigende Welle von Angst und Intoleranz" in den USA.

"Schändlicher Akt"

US-Außenministerin Hillary Clinton sagte anlässlich eines Fastenbrechens im islamischen Monat Ramadan in Washington: "Ich fühle mich ermutigt von der klaren, unmissverständlichen Verurteilung dieses respektlosen, schändlichen Akts" durch führende Vertreter aller Glaubensrichtungen in den USA. Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte das Vorhaben als "respektlos, sogar abstoßend und einfach falsch". Die Aktion verletze den Respekt vor Religionen.

Clintons Sprecher Philip Crowley sprach von einer Provokation. Es zeige Respektlosigkeit gegenüber einer Religion. Er betonte zugleich, die Welt dürfe Amerika "nicht an der Aktion eines Pastors oder 50 seiner Anhänger" messen. Die Stadtverwaltung von Gainesville habe die an diesem Samstag geplante Aktion zwar verboten. Es sei aber unklar, ob sich der Pastor daran halten werde.

Der Kommandeur US-Truppen in Afghanistan, David Petraeus, hatte zuvor gewarnt, dass die Aktion Anschläge gegen US-Soldaten provozieren könnte.

Der radikale Pastor der 50-Seelen-Gemeinde, der auch in Deutschland tätig war, hält dennoch ungerührt an dem Vorhaben fest. Jones von der 50-Seelen-Gemeinde in der Kleinstadt Gainesville, der Verbindungen nach Köln hatte, erklärte, er wolle die Verbrennung des heiligen Buchs der Muslime trotz der Proteste nicht absagen. "Wir müssen eine klare Botschaft an den radikalen Islam senden, dass wir seine Drohungen und die Verbreitung von Angst hier bei uns in Amerika nicht tolerieren", erklärte er. Nach Angaben der Christlichen Gemeinde Köln war Jones dort mehrere Jahre als Pastor tätig. Vor zweieinhalb Jahren habe sich die Gemeinde aber von ihm getrennt, weil sie mit seinen Ansichten nicht mehr übereingestimmt habe.

Pastor Jones vom evangelikalen Dove World Outreach Center hat den 11. September zum "Internationalen Tag der Koran-Verbrennung" erklärt. Damit solle der Opfer der Anschläge vor neun Jahren gedacht und dem radikalen Islam eine klare Absage erteilen werden. Der Koran "ist für den 11. September verantwortlich", sagte er in einem Video auf der Websiteseiner Gemeinde. "Der Islam ist eine schlechte Religion."

Knobloch verurteilt Koran-Verbrennungen

Muslime verlangen, dass ihr heiliges Buch mit höchstem Respekt behandelt wird. Verstöße werden als zutiefst beleidigend empfunden und haben wiederholt Gewalt ausgelöst. 2006 hatten Karikaturen des Propheten Mohammeds in dänischen Medien gewaltsame Proteste in der islamischen Welt ausgelöst, bei denen über 20 Menschen getötet worden waren. In Kabul ist es wegen der geplanten Koranverbrennung bereits zu Protesten gekommen. Wütende Gläubige verbrannten am Montag US- Flaggen und riefen "Tod Amerika". Auch Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der sich in Washington aufhielt, äußerte sich besorgt. Koranverbrennungen widersprächen "allen Werten, für die wir stehen und für die wir kämpfen", zitierte ihn die Washington Post.

In Deutschland verurteilte die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, den Plan der Evangelikalen. "Die Vorstellung ist schrecklich und abstoßend", sagte Knobloch und erinnerte an die Bücherverbrennungen von März bis Oktober 1933 in 70 deutschen Städten im Rahmen der sogenannten Aktion wider den undeutschen Geist. "Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen. - Bis heute habe ich gehofft", so Knobloch, "dass dieser prophetische Satz von Heinrich Heine aus dem Jahr 1820 uns auf ewig eine Lehre und Mahnung sein würde".

Die Holocaust-Überlebende kanzelte explizit die Begründung der Evangelikalen ab, die ihr Vorhaben mit den Terroranschlägen von New York und Washington rechtfertigen wollen. "Der 11. September 2001 war ein Tag des Hasses", sagte Knobloch. Der Terroranschlag habe in der Folge weltweit eine Vielzahl von Hass-Reflexen heraufbeschworen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass eine in bestimmten Kreisen praktizierte, oft subtile und fast immer stillschweigend akzeptierte Angst- und Hasspolitik unvermindert fortgesetzt wird und Früchte trägt", so die Zentralratspräsidentin. Was mit geistiger Brandstiftung anfange und den Weg über tatsächliche Brandstiftung im Wortsinne nehme, münde schließlich in Mord.

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